■ Warum die politischen Skandale Bushs wie Irangate niemals relevanter waren als Clintons vermeintliche Ehebrüche
: Mangelnde Courage der US-Presse

Zugegeben: Es ist nicht einfach, mit einem politischen Skandal die Gemüter zu erregen, der sich seit sechs Jahren hinzieht. Wenn heute in den USA (und im Ausland) das Stichwort „Iran-Contra“ fällt, dann muß erst mal das Gedächtnis aufgefrischt werden. Gemeint ist jener Deal aus den Jahren 1985 und 1986, mit dem die Reagan-Administration der iranischen Regierung gegen Waffenlieferungen die Zusicherung abkaufen wollte, bei der Freilassung amerikanischer Geiseln im Libanon behilflich zu sein. Mit den Profiten aus dem Waffenverkauf wurden dann die Contras in Nicaragua finanziert. Und mit solch demokratischem Firlefanz wie der Befragung des Kongresses hielt man sich nicht auf.

Der gestrige Noch-Präsident und damalige Vizepräsident George Bush war über den Deal informiert und hat ihn unterstützt – auch wenn er in diesem Wahlkampf immer den Eindruck erwecken wollte, er sei bei den entscheidenden Besprechungen Kaffee trinken gewesen. Damit nicht genug: Bush steht auch im Verdacht, 1986, während des 1. Golfkrieges zwischen dem Iran und dem Irak, letzteren aufgefordert zu haben, mehr Luftangriffe gegen den Iran zu fliegen. Ganz im Sinne des Prinzips der regionalen Stabilität sollte Teheran so gezwungen werden, noch mehr Waffen von den USA zu kaufen und in der Geiselfrage noch etwas hilfsbereiter zu sein.

So viel Dreck am Stecken sollte einen Präsidentschaftskandidaten zumindest zu vorsichtiger Rhetorik zwingen, wenn es um Kriterien wie „Ehrlichkeit“ oder „Vertrauenswürdigkeit“ geht. Doch solcherart Rücksichten mußte Bush in den letzten Wahlkampfwochen nicht nehmen, konnte er sich doch auf ein Medienphänomen verlassen: Der Iran-Contra-Skandal oder auch „Irakgate“ wird in der Wahlkampfberichterstattung auf gleicher Ebene abgehandelt wie die Frage, ob Bill Clinton eine außereheliche Affäre gehabt oder die Wahrheit über seine Vergangenheit als Vietnamkriegsgegner gesagt hat. Und in den Augen vieler Amerikaner gab und gibt es keinen qualitativen Unterschied zwischen einem Präsidenten, der seine Rolle in einem Regierungsskandal vertuscht, und einem Herausforderer, welcher der Frage ausweicht, ob er als Student Marihuana geraucht hat.

Fehlende Courage seitens der Presse ist eine Ursache dieser Entwicklung. Es erscheint schon fast wie eine Unterwerfung, wenn sich zum Beispiel Fernsehstationen in Interviews mit Bush auf dessen Bedingung einlassen, keine Fragen zum „Iran-Contra- Skandal“ zu stellen. Jener investigative Elan, der einst den Watergate-Skandal aufdeckte, gehört offenbar der Vergangenheit an. Statt dessen haben die Medien die Denkweise der Wahlkampfstrategen verinnerlicht. Jeder Schritt, jeder Satz, jedes Detail bis hin zur Krawattenfarbe der Kandidaten wurde nur noch unter einem Gesichtspunkt analysiert: Wie reagiert der Wähler in den Meinungsumfragen – oder das Versuchskaninchen in der Zielgruppenforschung? Verliert Bill Clinton bei den afroamerikanischen Wählern, wie im Januar geschehen, weil er damals den Hinrichtungsbefehl eines geistig behinderten Schwarzen unterzeichnet hatte – oder überwiegt der Nutzen bei der weißen „Law and order“-Klientel? Kann George Bush auf Stimmenzuwachs hoffen, wenn er noch einmal den Irak bombardiert? Und wenn ja, wie viele Bomben müssen fallen?

Sollte George Bush diese Wahl heute verlieren, dann mag es an vielem gelegen haben: der Wirtschaftskrise, seiner Steuerpolitik, seiner Haltung zur Abtreibungsfrage – an einer aufklärenden und engagierten Berichterstattung über die Skandale seiner Amtszeit aber gewiß nicht. Andrea Böhm, Washington