Klappe 606, die sechste

■ Schule besetzt, Unterricht fällt aus: Alles fürs TV / Viele Drehs für wenige Filmsekunden

Klappe 606, die sechste

Schule besetzt, Unterricht fällt aus: Alles fürs TV / Viele Drehs für wenige Filmsekunden

Drehszene:

Leute,

Kameras,

Mikros

Die Schule ist aus. Für Patrick Bach (24) gehts vor der Kamera nochmal los F.: Chr. Holzapfel

Die Alte Schule in der Kleinen Helle ist besetzt!! In Klassenraum 12 stehen Garderobenständer mit Mänteln, Jacken, Schals und Hüten, drei Zimmer weiter Spiegel und Schminktiegel. An Unterricht ist nicht zu denken. Im Schulhof parkt ein Camping-Wagen, an dem Tee und Kaffee ausgeschenkt werden. Ein Schüler und eine Schülerin, schätzungsweise Oberstufe, wärmen sich an einem Kaffeebecher die Hände. Aber halt, das ist doch ... Tatsächlich: Patrick Bach, der in Weihnachts- Fernseh-Serien wie „Anna“ und „Silas“ die ganze Familie friedlich vor dem Bildschirm vereinte. Die Abiturientin neben ihm ist „Elfie“, im bürgerlichen Leben Anne Levin (27), die ihrem Mitschüler „Felix“ Patrick Bach „immer am Rockzipfel hängt“. Und der da eben mit runderneuertem Make-Up die Treppe runterkommt, ist Hardy Krüger Junior — dem Schulalter auch schon längst entwachsen.

Nur fürs Fernsehen gehen Patrick Bach und Hardy Krüger in Bremen nochmal zur Schule, nur fürs Fernsehen hat sich die Alte Schule in Gustav-Heinemann-Gymnasium umbenannt, und nur fürs Fernsehen steigen Patrick Bach, Hardy Krüger und Anne Levin siebenmal ins selbe Auto. Radio Bremen dreht: Eine 13-teilige Serie, die uns im nächsten Herbst den Vorabend verschönern soll.

Eine echte Schul-Saga soll es werden, denn die vier Kinder plus Mutter gehen alle in ein- und dasselbe Gymnasium. Und weil die Drehbuchschreiber von Radio Bremen die Schulzeit für die schönste Zeit im Leben eines Menschen halten, wird die Serie auch so heißen: „Die schönsten Jahre unseres Lebens“. Von „Turbulenzen beim Erwachsenwerden“, und dem „uralten Konflikt zwischen Jugendlichen und Lehrern und Eltern“ ist im Pressetext die Rede.

„Eine sehr schöne Familiengeschichte“, schwärmt die verantwortliche Redakteurin Jutta Boehe-Selle. „Sehr schöne Dialoge. Manches sehr melodramatisch“, insgesamt aber „natürlich ein Konstrukt“. — „Das soll gar nicht so sein wie im richtigen Leben“, meint Schauspielerin Anne Levin. „Ich möchte das nicht auch noch im Fernsehen anschauen müssen!“

Und noch eine Probe: „Hardy, die Schultasche“, ruft der Innenrequisiteur, und „Pascal“ angelt folgsam die schwarze Tasche vom Hintersitz. Der kleinste Schnitzer, und die Szene muß wiederholt werden. Ohnehin ist der Herr Innenrequisiteur nicht sehr glücklich. „Immer wenn Schulschluß ist“, erklärt die Redakteurin, „weil dann alle Fahrräder weg sind“.

„Ruhe! Aufnahme!“ — laut schallt die Stimme der Aufnahmeleiterin über den Schulhof. Klappe 606, die sechste. Zwei Dutzend SchülerInnen verlassen als Statisten hinter Felix, Elfi, Julia und Pascal die Schule. Ein gespenstischer Schulschluß: Kein ausgelassenes Lärmen, kein Schreien, bleiernes Schweigen liegt über dem Hof. „Sie werden sich wundern, wieviel Krach da später noch zu hören ist“, flüstert die Redakteurin.

Hardy Krüger spielt mit dem Steuer seines cremefarbenen Oldsmobile. Gleich soll das Auto starten. „Alle Radfahrer holen ihre Räder“, ruft die Regieassistentin. „Ich bin aber schon aus dem Bild“, gibt einer zu bedenken. Alle, die vorher vorne im Bild waren, müssen jetzt ganz nach hinten. Die Maskenbildnerin hat nur eine Sorge: „Von der Kälte kriegen die jetzt bestimmt rote Gesichter.“

Nach einer Stunde ist der Regisseur zufrieden: „Prima! Danke!“ Die kurze Szene, wie Pascal, Felix und Elfi über den Schulhof laufen und ins Auto steigen, gibt später wenige Filmsekunden. Eine Schauspielerin wird in einen Mantel gepackt, zwei SchülerInnen wärmen sich an der Heizung auf. „Das ist gar nicht so wie in der Schule“, sagt die eine. „Das wird alles ein bißchen netter dargestellt, als es ist“, die andere. Beide hatten sich das Drehen spannender vorgestellt: „Die meiste Zeit ist Warten. Ich glaube, daß die meisten erstmal ganz begeistert waren, aber jetzt sind sie fast alle genervt.“ Diemut Roether