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Eltern schockiert über Gerichtsurteil

■ Hat die Bildungsbehörde das Gericht schlecht informiert? / Kapazitätskonflikt Schulen

„Schockiert“ durch das Urteil des Bremer Oberverwaltungsgerichtes zur Klassenfrequenz haben sich gestern die Elternvertreter der drei bremischen Gesamtschulen und der vier Reformschulen (Lesum, Hermannsburg, Drebberstraße und Leibnitzplatz) geäußert: „Schlimme bildungspolitische Folgen“ könne es haben, wenn die Klassenfrequenzen der Reformschulen in der Weise angehoben würden, wie es das Gericht in seiner Eilentscheidung für vertretbar gehalten hatte.

Die Eltern zweier Kinder, die durch das Los nicht in die Gesamtschule Mitte aufgenommen worden waren, hatten gegen die Kapazitätsobergrenze geklagt und Recht erhalten (vgl. taz 30.10.): Die Richter fanden die Begründung der Kapazitätsobergrenzen (20) durch die Behörden nicht zwingend begründet.

Inzwischen sind für beide Kinder die Schul-Anmeldungen an der GSM allerdings zurückgenommen worden:

Urteil: Kapazitätsgrenze nicht hinreichend begründet

Die Kinder sind längst in Klassen der Schaumburger Straße integriert, aus denen sie nicht mehr herausgerissen werden sollen. Zudem hat die dortige Orientierungsstufe (OS) eine noch geringere Klassenfrequenz als die OS an der Gesamtschule Mitte.

Kein Grund zum Aufatmen für die GSM: Die Elternvertreter hätten gern in der Hauptverhandlung die Gründe für die spezifischen Klassenfrequenzen vorgetragen, was offenbar im schriftlichen Eilverfahren von der Behörde versäumt worden ist. Während nämlich an herkömmlichen Orientierungsstufen die 27er-Klasse bei den sog. „handlungsorientierten Fächern“ in zwei Halbgruppen getrennt wird, arbeiten die Reformschulen durchgehend mit der ganzen Klasse. Deshalb ist dort die Klasse insgesamt kleiner. Für die Lehrer-Stundenzahlen, also für den Bildungsetat, sei dies im Ergebnis dasselbe, versicherten die Elternvertreter. „Warum wurde das Gericht nicht über diese Zusammenhänge ausreichend informiert“, fragen die Elternvertreter.

Aus dem Urteil ergibt sich in der Tat nicht, daß den Richtern diese Rechnung vorgetragen wurde. Es sei „keine stichhaltige Begründung“ vorgetragen worden, warum die Klassenfrequenz hier 27, dort nur 20 sein soll, hatten die Richter im Urteil geschrieben. Der Vertreter der Schule Hermannsburg, Hinze, äußerte den Verdacht, daß der Behörde das Urteil „genehm“ sei, weil sie wegen Kostenersparnis die Klassenfrequenzen in Zukunft anheben wolle. Bei 20 aber, so der Elternvertreter der GSM, Schmitz, „ist die Obergrenze erreicht. Mehr ist nicht zu verantworten bei diesem pädagogischen Modell.“

Die Elternvertreter appellieren an die Eltern schulpflichtiger Kinder, das Losverfahren zu akzeptieren und nicht den Klageweg für ihr Kind zu gehen, weil damit bei dieser Rechtssprechung die Reformschulen kaputt gemacht würden. K.W.

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