Von Kürbissen und Polizisten Von Andrea Böhm

Freitag nacht sah es hier in Washington aus, als hätten sie den Präsidenten entführt – oder seine Frau. Vor jedem Mac Donald's an jeder Straßenecke, vor jeder Shopping Mall – Trauben von Polizisten. Triefend, weil es geschifft hat wie schon lange nicht mehr. Wenn man sie gefragt hat, warum sie sich so scheinbar sinnlos aufweichen lassen, dann zeigten sie auf den ebenfalls klatschnassen Frankenstein oder Godzilla, die gerade vorbeiliefen. Es war Halloween.

Ursprünglich war dieser Tag einmal eine hochfeierliche Angelegenheit bei den Kelten, die damit die Geister der Toten und der Götter beschwichtigten. Die Amerikaner haben das natürlich etwas verfälscht. Halloween à la USA erkennt man erstens daran, daß die ganze Stadt, das Dorf oder die Farm mit ausgehöhlten Kürbissen übersät ist, aus denen man mehr oder weniger gelungene Fratzen geschnitzt hat, und zweitens, daß bei Einbruch der Dunkelheit Scharen von Kindern in die Nachbarschaft ausschwärmen– als Gespenster, Aliens, Skelette oder Affenmenschen verkleidet. Dann klopft es an der Tür, und ein paar Skelett-Steppkes mit furchterregend schwarz umrandeten Augen stehen draußen. Das größte Skelett tritt vor und sagt: „Trick or treat!“ Was sinngemäß heißt: „Entweder du rückst sofort Süßigkeiten raus, oder wir denken uns was Fieses für dich aus.“ Meistens befindet sich in gebührendem Abstand wenigstens ein Dad oder eine Mom, die nicht nur dafür sorgen, daß die Monster artig „Danke“ sagen, sondern auch die Beute inspizieren. Denn in diesem weiten Land laufen einige Irre herum, die sich aus dem Spaß einen Horror machen. Da findet man Rasierklingen in Kekse eingebacken, vergiftete Törtchen – oder, wie dieses Mal in Washington, Nähnadeln im Schokoladenriegel.

Wenn die Kinder dann sicher im Bett liegen, beginnt die Fete für die Erwachsenen. Die kann in unschönen Besäufnissen enden, wovon am nächsten Morgen nur noch die Bierdosen übriggeblieben sind, die zwischen zermatschten Kürbissen liegen.

Im großen und ganzen aber ist Halloween in der Hauptstadt eine erfrischende Abwechslung. Statt der öden, genadelstreiften Knotenmänner aus dem Kongreß und umliegenden „Wir sind auch wichtig“-Vereinen, sieht man plötzlich Menschen, die sich Mühe geben, aufzufallen. Besondere Beachtung fanden dieses Jahr fünf Studenten, die sich täuschend echt als Wattestäbchen verkleidet hatten. Begründung: Sie wollten politisch korrekt aussehen, niemanden beleidigen und „Sauberkeit propagieren“.

Die Halloween-Frischluft-Aktivitäten ziehen jedes Jahr mehrere zehntausend Menschen an. Womit wir bei der oben geschilderten Polizeipräsenz wären. Spontane, unorganisierte Straßenfeten inmitten des Regierungssitzes der einzig verbliebenen Supermacht haben etwas potentiell Bedrohliches. Am Ende kommen die Wattestäbchen auf die Idee, irgendeinen Botschafter zu pudern. Im letzten Jahr marschierte die Polizei in Kampfausrüstung an, was die Stimmung ziemlich herunterdrückte. Dieses Jahr waren die meisten Beamten in orangefarbene Regencapes gehüllt. Da fielen sie zwischen den Kürbissen kaum auf.