Neue Löcher beim Arbeitsressort

■ Hausputz mit Fragebogen / Ressort sucht den Überblick / Projekte zum Rapport

Aufräumaktion bei Sabine Uhl: Im Sitzungszimmer 510 bei der Arbeitssenatorin standen viele kleine Tische, dahinter saßen SachbearbeiterInnen und von Donnerstag letzter Woche an bis Dienstag gab es bis in die Abendstunden regen Publikumsverkehr. Im Viertelstundenrhythmus waren rund 150 Träger von Ausbildungs-und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in das Ressort zitiert worden, um eine Frage zu klären, die die Öffentlichkeit seit Wochen interessiert: Was alles ist den vielen Trägern in der Vergangenheit vom Ressort zugesagt worden? Und es steht die Befürchtung, daß mit der Aufräumaktion neue Haushaltslücken zum Vorschein kommen.

Nach einer ersten Übersicht der Träger ergeben sich keine Woche nach dem abgeschmetterten Mißtrauensvotum gegen Sabine Uhl erneute Haushaltslücken. Zum Beispiel bei den Stammkräften, feste Stellen, die aus dem Etat des Arbeitsressorts finanziert werden: Als der Haushaltsausschuß das 8,4 Millionen-Loch im Hause Uhl stopfte, waren darin auch 1,3 Millionen Mark für das Stammkräfteprogramm enthalten. Doch dieser Wert ist auf der Basis von Listen errechnet worden, die nicht mit den gegebenen Zusagen übereinstimmen. Allein an dieser Stelle klafft erneut ein Loch von 835.000 Mark, schätzen die Träger.

Die Arbeitssenatorin versucht jetzt, Ordnung in das heillose Chaos in ihrem Haus zu bringen. Offensichtlich hatte niemand mehr den Überblick darüber, wieviele Stellenfinanzierungen mündlich oder schriftlich zugesagt worden waren. Auf einem eigens angefertigten Formular notierten die SachbearbeiterInnen, was die VertreterInnen der Träger ihnen erzählten. Und fleißig wurden die mitgebrachten Unterlagen kopiert: Von ordentlichen Bescheiden bis zu wackeligen Telefonnotizen. In den kommenden Tagen sollen die Ressortakten abgeglichen werden.

Bei den Trägern geht jetzt die Angst um, was mit den neuen Daten gemacht wird. Aus dem Ressort war gestern zu keiner Frage eine Antwort zu bekommen. Zum weiteren Zeitplan, zu ersten Ergebnissen, selbst zur Frage, wieviele Träger denn gehört worden sind: Mehr als „Dazu kann ich nichts sagen“ war nicht aus dem Sprecher Jörg Henschen herauszubekommen.

Am Montag haben Netzwerk, Arbeitsförderungszentrum, Paritätischer und Jugendverbundprojekt Sabine Uhl einen Brief geschrieben und um ein Gespräch gebeten. Sie meinen, daß das Chaos vermeidbar war: Schon einmal, Ende März, haben sie den Dialog gefordert. In ihrem damaligen Schreiben hatten sie dem Ressort elf detaillierte Fragen gestellt, genau zu den Punkten, die sich jetz als neuralgisch herausgestellt haben. Damals hatte das Ressort es nicht für nötig gehalten, überhaupt zu reagieren. Die These der Träger jetzt: Die Ressortspitze hätte wissen können, in welchem Zustand die Bewilligungspraxis war. „Insofern hielten wir es auch für unangemessen, die Schuld an organisatorischen Unzulänglichkeiten in Ihrem Hause bei einzelnen Mitarbeitern zu suchen“, heißt es in dem aktuellen Brief.

Jochen Grabler