Nachschlag

■ „DaSein“ Ein Dokumentarfilm von Heide Breitel

Gisela Schulte arbeitete bis vor einiger Zeit als Kriminalbeamtin. Sie wohnt allein. Resi Wildner ist verheiratet, Mutter zweier Kinder und lebt bei ihrer Familie. Beide sind unheilbar an Krebs erkrankt. Sie erzählen der Berliner Dokumentarfilmerin („Lernen können ja alle Leute“, 1988) und Fotografin Hilde Breitel von ihrem „DaSein“, so auch der Titel des Films. Die Frauen versuchen Auskunft zu geben über ein Leben, das jetzt so radikal anders ist, Gisela Schulte spricht von einem „geborgten“. Sie kann nur mit Hilfe des Dialyseapparates überleben. Sterben, das betrifft scheinbar immer die anderen, nie einen selbst. Der Tod nistet sich im Hinterzimmer ein. Wenn alles vorbei ist, gewöhnlich kommt Grieneisen mit dem Leichensack.

Das umgestülpte Leben von Gisela Schulter und Resi Wildner wird mitgetragen von Sibylle Brombach und anderen Mitgliedern des „Freundeskreises zur Förderung von Sterbebegleitung und Hospiz e.V.“ in Lohmar. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, für Menschen, denen die Ärzte nur noch eine geringe Lebenserwartung zubilligen, einen Platz zu schaffen, an dem sie mit ihren Ängsten und Hoffnungen nicht alleine bleiben müssen. Ein Jahr hat die Gruppe gebraucht, um das Haus mit privaten Mitteln zu bauen.

Wie es sich lebt mit todkranken Menschen – die wenigsten wollen es wissen. Man könnte etwas darüber erfahren, hätten sich Heide Breitel und ihre Kamerafrau Gisela Tuchtenhagen tatsächlich entschlossen, einen Film über dieses Thema zu machen. Aber die Ängste der erkrankten Frauen bleiben isoliert von denen der Familienmitglieder, Freunde, Verwandten. Ihre bittere Hilflosigkeit und Ohnmacht gegenüber dem, den es erwischt hat, kommt nicht vor. Das Sterben ist schwer zu ertragen.

Unbestritten, das Thema Tod legt Zurückhaltung nahe. Aber Heide Breitel läßt sich und ihre Dokumentation der „langen Einstellungen“, die ohne Schnitte und lenkende Fragen auskommen will, auch ein wenig zu stark gefangennehmen vom christlich geprägten Umgang der Gruppe mit Sterben und Tod. Ritualisierte Symbole und Botschaften von Erlösung und Tod, stille Andacht bei Kerzenlicht, meditative Gesänge sollen den Hinterbliebenen Trost geben. Im Blickwinkel der Kamera befremden sie. Für manche mag es makaber anmuten, wenn Resi Wildner sich ihr Totenhemd schneidern läßt – und es ganz selbstverständlich anprobiert. Sie will wissen, wie es sich anfühlt und wie sie darin aussieht. Die Sequenz läßt ahnen, welchen Film Heide Breitel hätte auch machen können.

Die Dinge beobachten und prüfen wollte der amerikanische Regisseur Robert Flaherty (1884–1951), einer der Begründer des Dokumentarfilms. Prüfen, so wie Resi Wildner ihr letztes Hemd. Sie stirbt während der Dreharbeiten. Yvonne Rehhahn

„DaSein“ von Heide Breitel, ab heute in der Filmbühne am Steinplatz, 18.30 Uhr