Serbien: Hat die Armee das letzte Wort?

■ Montenegrinische Abgeordnete unterstützen Mißtrauensantrag gegen Panic nicht/ Rückendeckung durch die Armee? / UNO akzeptiert Karadžić' Bedingungen für Verhandlungen in Genf

Budapest/Genf (taz) – Weshalb haben die montenegrinischen Abgeordneten am Dienstag den Sturz von Milan Panic, Premierminister Rumpf-Jugoslawiens, verhindert? Darüber wurde gestern in Belgrad weiter gerätselt. Hartnäckig halten sich so zum Beispiel Gerüchte, wonach auch ein Teil der Armee dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević die Gefolgschaft gekündigt haben soll. Der Grund: Die Generäle halten weitere Kriegseroberungen in Bosnien für nicht durchführbar. Militärisch könne man einen so großen Landstrich wie Bosnien-Herzegowina auf die Dauer nicht halten, man müsse jetzt den Status quo auf dem Schlachtfeld absichern, Kroatien und Bosnien ein Friedensangebot unterbreiten, das von der internationalen Staatengemeinschaft abgesegnet werden solle.

Außerdem glaubt in Serbien niemand, daß die montenegrinischen Abgeordneten aus persönlicher Überzeugung für Panic und somit gegen Milošević, der das Mißtrauensvotum gegen seinen Widersacher inszeniert hatte, gestimmt haben.

Und auch die Ansichten, daß Panic nur ein Denkzettel verpaßt werden sollte, daß er gezwungen werden sollte, sich in Zukunft mit Friedensinitiativen gegenüber den „Todfeinden“ Kroatien und Bosnien mehr zurückzuhalten hat, sind derzeit nur Spekulationen.

Beobachter gehen deshalb davon aus, daß die montenegrinischen Politiker sich im Belgrader Parlament nicht ohne Rückendeckung aus Armeekreisen für Panic und gegen Milošević aussprechen konnten. Die ehemals kleinste jugoslawische Republik mit ihren 600.000 Einwohnern konnte sich in der Geschichte gegen Serbien, der größten Republik mit neun Millionen Einwohnern, nie behaupten. Die offene Parteinahme für Panic bedeutet auf den ersten Blick eine offene Kampfansage an Milošević. Ob dem tatsächlich so ist, werden die nächsten Wochen zeigen.

Um die Fortsetzung der Genfer Jugoslawienkonferenz nicht zu gefährden, haben die beiden Vorsitzenden Cyrus Vance und David Owen stillschweigend neue Bedingungen der bosnischen Serben akzeptiert, obwohl diese den politischen Prinzipien der Konferenz grundsätzlich widersprechen. Nach einem entsprechenden Beschluß des „Parlaments“ der „Serbisch-Bosnischen Republik“ hatte Serbenführer Radovan Karadžić nach einer Begegnung mit Vance am Dienstag abend vor Journalisten die Bedingungen für ein Verbleiben seiner Delegation am Verhandlungstisch noch einmal bekräftigt: zum einen müßten neben dem von Vance und Owen vorgelegten Verfassungsentwurf für ein multiethnisches Bosnien-Herzegowina auch die auf die Schaffung dreier ethnischer Staaten abzielenden Vorschläge der Serben als Diskussionsgrundlage akzeptiert werden.

Zum zweiten beharrte Karadžić darauf, daß eine „Serbisch-Bosnische Republik“ bereits existiere.

Der Sprecher von Vance und Owen, Fred Eckhard, vermied am Mittwoch eine Antwort auf die Frage, ob Karadžić seine Bedinungen auch Vance gegenüber erklärt habe. Er betonte, „wichtig“ sei, daß die bosnischen Serben am Verhandlungstisch blieben. Als Grund für das Taktieren wird darauf hingewiesen, daß Karadžić' Führungsposition gerade auch wegen seiner Teilnahme an den Genfer Verhandlungen von militärischen Kommandeuren der bosnischen Serben in Frage gestellt werde. Vance und Owen, so heißt es, täten den „radikalen Kräften unter den Serben“ nur einen Gefallen, wenn sie Karadžić durch eine klare Ablehnung seiner neuen Bedingungen zum Rückzug von der Konferenz veranlaßten.

Während Kroatien sich auch gestern weigerte, weitere Flüchtlinge aus Bosnien aufzunehmen, soll es laut Berichten des kroatischen Rundfunks im Westen Bosniens zu Kämpfen zwischen serbischen Einheiten und französischen UNO- Truppen gekommen sein. Während des Gefechts bei Bihac sei dabei mindestens ein UN-Soldat ums Leben gekommen. hof/azu