Immer weniger fremd

■ „Tuma Be“: Leben in der Savanne. Eine Ausstellung

Mythosbildung sollte vermieden werden, die Alltagsgeschichte und Identität einer zwischen Tradition und Moderne bewegten Gesellschaft ist Thema der Ausstellung „Tuma Be“ im Haus der Kulturen der Welt. In der Sprache der Manding bedeutet „Tuma Be“ „Die Zeit ist da“, und soll in diesem Fall wohl heißen: für eine Begegnung mit der Kultur der westafrikanischen Savanne. Feldforschungen in enger Zusammenarbeit zwischen deutschen und afrikanischen Wissenschaftlern gingen dem Projekt voraus, eine Dublette der Ausstellung befindet sich in dem Nationalmuseum der Republik Elfenbeinküste in Abidjan.

Trotz des wissenschaftlich gediegenen Hintergrundes – der Leiter des Projektes, Till Förster, hatte sich insgesamt über vier Jahre in der Elfenbeinküste aufgehalten – kommen Ausstellung und Katalog mit angenehmer Leichtigkeit daher. Was auch an der Präsentation liegt: Geometrisch und farblich abgestimmte Raumsequenzen laden in ein kleines Labyrinth ein, das vielfältige Eindrücke aus dem gegenwärtigen Leben der Savanne bietet.

Dazu zählen die täglichen Arbeitsverrichtungen und -verhältnisse in den Dörfern und Städten bei Schmieden, in der Familie, bei den Bauern und im Handel. Den Werken der Holzschnitzer kommt aus westlicher Sicht hoher künstlerischer Wert, aus ihrer eigenen vor allem hoher symbolischer Wert zu, abgesehen vom Gebrauchswert. Inzwischen wird auch gewinnbringend für die Touristen geschnitzt.

Zu den kultischen Objekten gehören die holzgeschnitzten Tugu- Figuren oder die Masken des Poro- Bundes der Senufo-Bauern. Deren Funktion erschließt sich durch den Film „Nafoun – oder es gibt kein Feuer“ von Paul Schlecht, der ausstellungsbegleitend zu sehen ist.

Die kleinen Holzfiguren findet man als Verzierung an einem Webstuhl, besonders bei Wahrsagern. Kommt ein Klient, kommuniziert die Wahrsagerin (meistens sind es Frauen) zunächst mit den Holzfiguren, die die Geister symbolisieren: kleine Wesen, die an Wasserläufen, Seen und Teichen leben. Erst wenn sie aus dieser Zwiesprache ihrem Klienten den Grund seines Kommens nennen, beginnt dieser von sich aus zu erzählen.

Manchmal werden diese Figuren aus den Hütten gestohlen und später auf dem Kunstmarkt in Europa und den USA zu fünfstelligen Dollar- und DM-Beträgen gehandelt. Verkauft eine Wahrsagerin ihre Figur in schlechten Zeiten an einen Zwischenhändler, bekommt sie dafür umgerechnet etwa 16 DM.

Welche Krisen und Zweifel die Bewohner der Elfenbeinküste den Kontakt zu den Geistern suchen lassen, wird aus dem Katalog deutlich, der die Ausstellung durch Lebensberichte ergänzt. Darin wird das soziale Gefälle innerhalb dieser Gesellschaft sichtbar gemacht und auf die schwierige Situation gerade der Jugendlichen aufmerksam gemacht, die zwischen traditionellen Berufen auf dem Land und moderner Berufsausbildung in den Städten entscheiden müssen; wobei die Arbeitslosigkeit sie hier wie dort bedroht.

Vor allem dieses Gemisch aus afrikanischen Sitten und Ritualen und westlichen Kultur-, vor allem aber Konsumgütern in allen Lebensbereichen ist es, was das gegenwärtige Leben und damit auch das Bild dieser Ausstellung prägt. Ein Leben zwischen Initiationsriten und Maskentänzen auf der einen und Videorecordern und Mofas auf der anderen Seite. Auf dem Markt findet man neben den an einfachen Webstühlen hergestellten Tüchern, einfacher Arbeits- und Jägerkleidung auch Jeans und T-Shirts. Neben Tontöpfen stehen Plastikeimer. Aus einer unsichtbaren Hi-Fi-Anlage tönt laut Reggaemusik: Das Fremde will immer weniger fremd erscheinen.

Die Zeiten der Missionen scheinen vorbei zu sein, der Kulturexport läuft bilateral. Daran hat das Haus der Kulturen der Welt seinen Anteil. Karin Jansen

Haus der Kulturen der Welt, bis zum 3.Januar