Durchs Dröhnland
: Schlicht wie die Tirade des Penners morgens um sechs

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Man kann ihnen allerlei vorwerfen: ihre Kommerzialität, ihren Drang zur platten Attitüde, ihre Häßlichkeit. Trotzdem kenne ich niemanden, der die ersten beiden Stücke von „The Real Thing“ nicht mag. Oder nicht mindestens unerkannt zu ihnen in einer Dorfdiskothek tanzen würde. Faith No More verbanden zum absolut perfekten Zeitpunkt die beiden Musikstile, die auf dem Weg nach oben waren: Metal und HipHop/Funk. Meistens zwar Funk, aber der eine Metal-Rap genügte. Also, wie gesagt, man kann ihnen viel vorwerfen, aber nicht, daß sie kein sensitives Näschen hätten. Man kann beruhigt davon ausgehen – und von den überaus befriedigenden Verkaufszahlen ablesen –, daß der pomadige Schweine-Metal, den sie auf ihrem neuesten Machwerk „Angel Dust“ ausbreiten, das nächste wenn nicht große, dann doch mittelgroße Ding wird.

Heute um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Von mir vor Wochen schon frenetisch angekündigt, dann die fliegenden Haare gemacht beim sehr schönen Konzert auf der Insel und schon wieder in der Stadt: Wer eine Schwäche für Kitsch hat, aber trotzdem nicht gerne auf dröhnende Gitarren verzichtet, möchte den Bone Club in seine Wochenendplanung mitaufnehmen.

Heute um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Soliden Metal mit AC/DC-Ambitionen spielen Horn E.T., wobei sie nicht verbergen, daß sie durchaus der Kommerzialität zugeneigt sind. Extrem eingängige Gröhlrefrains samt klasse Stampfgitarren – schön blöd das.

Heute um 21 Uhr im Wasserturm Kreuzberg, Kopischstraße 7

Die einmaligen, großartigen, schwer funkenden, krank jazzenden, auch mal punkenden Stan Red Fox lösen sich auf. Damit die Stadt sich gebührend von dem Trio um den Trompeter Lars Rudolph, der auch schon mit Blurt gespielt hat, verabschieden kann, gibt es noch zwei Abschiedskonzerte, deren erstes dieses Wochenende, das andere bald im Tacheles stattfindet. Mit dabei sind Frog Sandwich, die sich zwar nicht auflösen, aber immerhin eine Weile in die USA gehen, um dort zur Abwechslung mal andere mit ihren schrillen Tönen zu nerven.

Am 7.11. um 22 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

Bert Papenfuß-Gorek hat Gedichte geschrieben. Und weil er der Meinung ist, daß Gedichte „laut und mit Betonung“ gelesen werden müssen, hat er eine CD eingespielt mit dem Novemberklub, die dem Buch beigelegt ist. An sich ja eine hübsche Idee, aber das hat wohl so viel Spaß gemacht, daß man nun auch auf die Bühne geht und die Gedichte dort nochmals vorträgt und schwerblütige Musike dazu manufaktiert. Und, Sie haben es bereits vermutet, das ganze ist ein Projekt aus dem Osten, wo Unterhaltung immer noch sehr oft mit einem dicken Kunstanspruch daherkommt.

Am 7.11. um 21 Uhr in der Wabe, Dimitroffstraße 101, Prenzlauer Berg

Daß Blues schon seit einigen Jahrzehnten nicht mehr viel mit auf Zuckerrohrfeldern vergossenem Schweiß zu tun hat, beweist auf ein neues die Blues Company. Das deutsch-jamaikanisch-jugoslawische Quartett rühmt sich auf der aktuellen CD damit, daß „nie zuvor in Deutschland eine dermaßen aufwendige Blues-Platte eingespielt wurde“. Komischerweise hört man das nicht sonderlich, auch wenn das eine oder andere Knacksen der Sterilität ganz gut bekommen wäre. Für die Platte konnten mit Luther Allison, Johnny Heartsman und Stan Webb (Chicken Shack) einige Altmeister des urbanen Blues gewonnen werden. Die sorgen für eine gewisse Authentizität, die den schon seit mehr als fünfzehn Jahren zusammen spielenden Blues-Bürokraten doch abgeht. Nichtsdestotrotz: technisch perfekt, die alte Schaffe, passend zum aktuellen Revival.

Mit Spencer Bohren am 7.11. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg

Über Sonic Youth muß man nicht viele ankündigende Worte verlieren. Deshalb nur kurz der Tip, daß es sich lohnt, pünktlich da zu sein: Die Amis von Pavement wurden von der englischen Presse, die ja sonst immer gerne regionale Vorurteile auslebt, schon ausufernd zu Genies erklärt. Die andere Vorgruppe Sebadoh ist die nicht mehr so ganz neue Band von Ex-Dinosaur-Jr.- Bassist Lou Barlow, der von J. Mascis mehr oder weniger handgreiflich aus der Band geworfen wurde. Sebadoh erinnern zwar manchmal an die guten alten Dinosaur Jr., aber das Gitarrenspiel kann man natürlich nicht kopieren. Zudem sind sie meistens rockiger, ganz und gar nicht wie Neil Young, und ab und an lebt Barlow einen seiner debilen Ausfälle aus, die er sich schon unter der Fuchtel von Mascis nicht verkneifen konnte. Wer also nur auf Sonic Youth wartet, ist selber schuld.

Am 7.11. und 8.11. um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt

Diese Band ist nicht von dieser Welt oder zumindest nicht aus dieser Zeit. Bei Dead Moon prangt immer noch voller Stolz ein „Mono“ auf den Platten, die im heimischen Wohnzimmer des Ehepaars Cole aufgenommen werden – so geht wenigstens die Legende. Tatsache ist jedenfalls, daß Dead Moon, bestehend aus Andrew Loomis, Toody und Fred Cole, die letzte echte, originale, real existierende und trotzdem noch lebendige Garagenband der Welt sind – trotz des Wohnzimmers. Die letzte Dead-Moon- Platte erschien erstmals auch als CD und hört sich wie jede andere Dead-Moon-Platte an – und die wiederum wie die vorherige Dead-Moon-Platte. Und alle sind gut. Seit den 60ern spielt Fred Cole dieselben Songs, nur manchmal gibt er ihnen neue Namen. Er und seine Band sind Dinosaurier, aber er selbst weiß das nur zu gut. In seiner ganz persönlich für sich selbst geschriebenen Hymne heißt es: „There's a new kid on the block and he's taking my place/ Walking on my grave.“ Als Vorgruppe sind geradezu unsittlich junge Männer dabei. H.P.Zinker ist die Band um den österreichischen Gitarristen Hans Platzgumer, gegründet 1989 in New York. Vor allem durch Platzgumers Gitarrenkünste erspielten sich H.P.Zinker einen Namen als Avantgarde-Rockband, die aber nie zu künstlich wurde. Auf ihrer neuesten LP „Perseverance“ allerdings sind sie für ihre Verhältnisse extrem eingängig. Fast jeder Song ginge auch im Mainstream- Radio durch, aber Platzgumer wäre nicht er selbst, wären da nicht noch viele Scharten, die seine Musik hinterhältig vom Durchschnitt abhebt.

Am 9.11. um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt

Noch einmal eine andere aussterbende Sorte. Wedding Present sind eine der letzten lebenden C86-Bands. Die meisten von denen haben versucht, Rave zu machen und sind inzwischen größtenteils gescheitert. Wedding Present haben schon gescheitert angefangen, symptomatisch war hier der Coverheld ihrer ersten LP: George Best, das verkannteste Fußballgenie seiner Zeit. Best kickt nicht mehr, aber Wedding Present spielen auf ihrer neuesten Platte überraschend rockig und schrammeln gar nicht immer so oberöde rum wie sonst. Trotzdem, diese Jungs sind stets zu spät, aber deswegen auch sympathisch.

Am 11.11. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Die Etiketten wuchern wie Schimmel. Hullabaloo aus Boston meinen, sie spielen Speedcore, und dabei dachte ich immer, Hardcore sei schon ursächlich schnell. Die Bostoner sind auf jeden Fall nicht langsamer, aber öfters war auch schon Flinkeres zu hören. Hullabaloo sind aber auch nicht weniger hart als andere vom Punk kommende Bands. Was sie hervorhebt, ist der krächzende Gesang. Dieser ist weniger gebrüllt, sondern klingt schlicht wie die Tirade des Penners morgens um sechs neben dir in der U- Bahn. Bloß der spielt nicht so schöne Mülltonnen-Riffs dazu.

Mit Integrity am 12.11. um 21 Uhr im SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg Thomas Winkler