Schwule und Lesben feiern den Sieg Bill Clintons

■ Der zukünftige Präsident hatte sich im Wahlkampf für ihre Gleichberechtigung in Staat und Gesellschaft ausgesprochen/ Erfolg auch für Frauenbewegung

Washington (taz) – Zum ersten Mal in der Wahlgeschichte der USA hatte auch die Schwulen- und Lesbenbewegung Grund zu feiern. Nach Bekanntgabe des Ergebnisses floß der Sekt nicht nur auf den Wahlparties in Washington, sondern auch in Zentren der Bewegung. So zum Beispiel in San Francisco, wo auf den Straßen gefeiert und getanzt wurde.

Der Unterschied in den Fragen der Schwulen- und Lesbenpolitik hätte zwischen den Kandidaten größer nicht sein können: Während George Bush im Wahlkampf Schwule wiederholt verbal angegriffen hatte, war Clinton der erste Kandidat überhaupt, der sich offen für die Gleichberechtigung Homosexueller in Staat und Gesellschaft aussprach. Vor wenigen Jahren wäre dies noch einem politischen Selbstmord gleichgekommen. Robert Bray, Sprecher der „National Gay and Lesbian Task Force“, erklärte, das Wahlergebnis markiere den Übergang der Bewegung „vom Rand zur Mitte, von gesellschaftlichen Parias zu politischen Partnern“.

Die verschiedenen Referenden über die Schwulen- und Lesbenrechte hinterließen in der „Task Force“ jedoch gemischte Gefühle. Einen klaren Sieg konnte Bray im Bundesstaat Oregon verzeichnen. Dort stimmten die WählerInnen mit einer Mehrheit von 56:44 Prozent gegen eine Vorlage, wonach Homosexualität von Staats wegen als „abnorm“ und „pervers“ bezeichnet und offene Diskriminierung von Schwulen und Lesben faktisch legitimiert werden sollte. Die Vorlage wurde ebenso von der christlichen Rechten um die Koalition des TV-Predigers Robertson unterstützt wie einer homosexuellenfeindlichen Initiative in Colorado. Dort war die Vorlage sehr viel moderater formuliert – und wurde mit 54:36 Prozent der Stimmen angenommen: Demnach dürfen lokale Behörden in diesem Bundesstaat ab sofort keine Antidiskriminierungsmaßnahmen verabschieden, die ausdrücklich Homosexuelle schützen sollen.

Einen ungetrübten Erfolg konnten hingegen Frauenrechtsgruppen verzeichnen. Mit Bill Clinton zieht ein Präsident ins Weiße Haus, der das Recht auf Abtreibung ausdrücklich unterstützt und den Rechtsruck in der Zusammensetzung des Obersten Gerichtshofs verhindern will. Dort fehlte den Abtreibungsgegnern nur noch eine Stimme, um eine Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1973 zu revidieren. Damals war Frauen im Fall Roe v. Wade auf Verfassungsebene das Recht auf Abtreibung zugestanden worden. In zwei Bundesstaaten mußten WählerInnen am Dienstag über Referenden zur Abtreibungsfrage abstimmen. In Maryland sprach sich eine Mehrheit dafür aus, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch auch dann zu garantieren, wenn der Oberste Gerichtshof sein Urteil aus dem Jahr 1973 revidiert. In Arizona lehnten 69 Prozent der WählerInnen „Initiative 110“ ab, die eine öffentliche Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen nur noch zugelassen hätte, wenn das Leben der Frau in Gefahr ist.

Insgesamt wurden am Tag der Präsidentschaftswahl 232 Referenden in 42 Bundesstaaten abgehalten. Die Themen reichten von der Legalisierung von Wetten bei Pferderennen über die Einführung der Todesstrafe bis zur Frage, wann Politiker wieder einen anderen Beruf ergreifen sollten: In insgesamt vierzehn Bundesstaaten sprachen sich Mehrheiten dafür aus, die Amtszeiten ihrer Parlamentsvertreter zu begrenzen. In der Hauptstadt Washington konnten Bürgerrechtler und Gegner der Todesstrafe einen überraschend deutlichen Erfolg verzeichnen. Trotz einer rapide steigenden Zahl von Gewaltverbrechen lehnen zwei Drittel der WählerInnen die Wiedereinführung der Todesstrafe für Mord ersten Grades ab. Andrea Böhm