Gift-Cocktail bedroht die Elbe

■ Besorgniserregende Giftschübe gemessen / Sind Ausbaggerungen in Ex-DDR schuld? / Greenpeace: "Heller Wahn"

gemessen / Sind Ausbaggerungen in Ex-DDR schuld? / Greenpeace: „Heller Wahn“

Alarmierende Konzentrationen hochgiftiger Schwermetalle und anderer chemischer Substanzen in der Elbe haben neue Untersuchungen der Umweltbehörde ergeben. „Giftschübe hochtoxischer Verbindungen“, deren Ursache noch ungeklärt sei, seien in den vergangenen Wochen und Monaten an den Meßstellen Zollenspieker, Schnackenburg und Neu Darchau festgestellt worden.

Vor allem die hochgiftigen Chlorierten Kohlenwasserstoffe sind „in höherem Maße in der Elbe zu finden als vor dem Zusammenbruch des DDR-Regimes“. Zugleich habe sich jedoch — kleiner Hoffnungsschimmer — der Sauerstoffgehalt des Flusses in den vergangenen zwei Jahren stabilisiert. Die Fische ersticken also nicht mehr im Sommer; vergiftet werden sie jedoch noch stärker als bisher.

Besonders besorgniserregend sind nach Angaben von Silvia Schwägerl, Pressesprecherin von Umweltsenator Fritz Vahrenholt, die zeitweise auftretenden „Belastungsspitzen“ der Giftstoffe Hexachlorbenzol (HCB), ß-Hexachlorcyclohexan (ß-HCH) und DDT. Die Belastung mit Quecksilber sei zwar im Vergleich zu 1989 zurückgegangen, beim Schwermetall Cadmium sei aber eine Erhöhung festzustellen. Als Schadstoffquellen kommen drei Möglichkeiten in Betracht: „Illegale Einleitungen, Abfallbeseitigung von Giftmüll oder Ausbaggerungsarbeiten in der Elbe östlich von Schnackenburg“.

Da die Gifte im Hamburger Hafen zum größten Teil ausgebaggert werden müßten, erwägt Vahrenholt, die Verursacher, möglicherweise Städte und Gemeinden in Ostdeutschland, zu verklagen.

In einer Reihe von Kommunen am Mittellauf der Elbe finden seit Monaten umfangreiche Ausbaggerungen statt, zum Beispiel zwecks Anlage von Yachthäfen. Das Baggergut wird einfach in die Flußmitte gekippt, die in den Sedimenten enthaltenen Giftstoffe werden von der Strömung weitertransportiert. Ein „Gift-Cocktail aus 40 Jahren DDR-Einleitungen“, so die Umweltbehörde, der bislang im Elbschlick ruhte, wird dadurch neu aktiviert und bedroht nun die Elbe und die Nordsee. Nach Ansicht des Greenpeace-Chemikers Christoph Thies ist es „heller Wahnsinn“, Baggergut wieder in den Fluß zu kippen. Wenn überhaupt, dann könne der Giftschlick nur nach erfolgter Reinigung in entsprechenden Anlagen, wie es sie in Hamburg gibt, auf Spülfeldern gelagert werden. Thies hält die Vermutungen der Umweltbehörde über die Ursachen der Giftkonzentrationen für „wahrscheinlich zutreffend“.

Allerdings sei nicht auszuschließen, daß auch illegale Einleitungen in großem Maßstab für die „dramatische Situation“ verantwortlich sind. Bei den großflächigen Sanierungen von kontaminierten Werksgeländen in Flußnähe in der Ex- DDR „kann doch zur Zeit niemand kontrollieren, was mit dem Schiet passiert“. Es sei recht wahrscheinlich, daß dort gerne mal das Geld für die vorschriftsmäßige Entsorgung des Sondermülls gespart werde. smv