: Pommes machen das Rennen
■ Die Großküche der Kleinstadt Mercedes Benz Werke versucht, allen gerecht zu werden
“Bei uns gewinnt heute nicht Clinton, sondern Pommes“, schmunzelt Walther Riebenhusen, Küchenleiter bei den Verpflegungsbetrieben der Mercedes Benz Werke. Der Computer spuckt soben die ersten Hochrechnungen aus. Alle Kassen im Eßsaal sind an einen Rechner angeschlossen, der dem Küchenchef die Anzahl der verbrauchten Komponenten meldet. „Komponente“, das ist Küchenlatein und steht für jede einzelne Beilage. Nach der ersten Viertelstunde wirft der Rechner einen Trendbericht aus. Heute laufen die Schaschlikspieße gut, die Produktion wird weiter angeheizt. Dafür geht vielleicht die „Pasta Chuta“ von Soja nicht so gut, also Produktion runterfahren. So wird bis in die Ausgabezeit produziert, und alles kommt frisch auf den Tisch.
Täglich werden hier etwa 3.650 MitarbeiterInnen verpflegt, das ist etwa ein Drittel aller anwesenden KollegInnen. Seit Daimler-Benz 1984 die Kompaktklasse 190 E einführte, ist der gelernte Hotelkaufmann Peter Haller hier Verpflegungsmanager für die Süd-und Nord-Küche, die Gäste-Kantine und die 114 MitarbeiterInnen der Verpflegungsbetriebe. „Unsere Philosophie bei der Zubereitung heißt: möglichst frische Waren verarbeiten, wenn frisch nicht möglich ist, dann Tiefgefrorenes“, sagt Haller. Produkte aus schonen
Hierhin bitte das Bild von dem Koch
300 Liter Linsensuppe, gerührt von Klaus-Dieter PfeifferF:K. H.
dem ökologischem Anbau wer
den bevorzugt. „Und natürlich soviel Umweltschutz wie möglich“, ruft Haller. Sogleich holt er einen weißen Porzellanbecher mit Stern, Auto, und der Parole: „Mach mit! „ 30.000 Becher wurden bereits unter die MitarbeiterInnen verteilt, dies ist schon die zweite Auflage. „Vorher haben wir etwa 450.000 Plastikbecher pro Monat verbraucht, heute haben wir den Verbrauch auf 70.000 reduziert. Es gibt ja immer noch Gäste“, erklärt Einkäufer Thomas Gerster von der Verwaltung.
Am 500-Liter-Speiseölbehälter muß man vorsichtig vorbeigehen, um nicht ins Schliddern zu kommen. Auch in der Küche wird der Umweltschutz großgeschrieben. Abfalltrennung gibt's sowieso. Auch das Fleisch wird in Plastikwannen angeliefert. Der Verpflegungsmanager Haller achtet darauf, daß die Lieferanten umweltgerecht oder möglichst gar nicht verpacken. „Wenn sie nicht mitmachen, wechseln wir zur Not auch den Lieferanten“, sagt Haller.
Das Küchengerät läßt einen glauben, daß man sich in einen Däumling verwandelt hat. An der Wand hängen Kellen, in die der Suppentopf einer ganzen Familie hineinpaßt. In den gigantischen Kippbratpfannen können 1.200 Koteletts gleichzeitig brutzeln. Heute rührt Koch Klaus- Dieter Pfeiffer den 300-Litertopf Linsensuppe um. Es gibt Fleischwürfelschneider, die chromblitzend glänzen, oder einen Tümmler von der Größe einer Betonmischmaschine, in dem das Fleisch gewürzt wird. Die Säge für Knochen und Fleisch fehlt ebensowenig wie ein Ungetüm von Sahnegebläse. Zwei Beiköchinnen würfeln kiloweise Eier für 5.000 bis 6.000 Brötchen. In der Nordküche rühren und schnippeln 26 MitarbeiterInnen in wildem Gefecht. Erstaunlicherweise passiert wenig; 240 unfallfreie Tage hintereinander waren bis gestern auf der Tafel am Eingang abzulesen. Dann knickte sich eine Frau den Fuß beim Fahrradbesteigen um.
Prophylaxe auch gegen Salmonellen: „Wir verwenden keine rohen Eier“, sagt Küchenchef Riebenhusen. Ein staatliches Labor ist mit unregelmäßigen, nicht angekündigten Kontrollen beauftragt.
In einer halben Stunde müssen die MitarbeiterInnen zum Eßsaal und zurück und ihr Essen verspeist haben. Deshalb muß es an der Ausgabe schnell gehen. An der Kasse wird bargeldlos mit Plastikkarten bezahlt. Den Speisenplan kann sich jeder aus verschiedenen Komponenten selbst zusammengestellen. Natürlich sollen die MitarbeiterInnen gesund bleiben, dafür sorgt der Blick der Werksarztes auf den wöchentlichen Speisenplan. Etwa 4.20 Mark zahlt jedeR MitarbeiterIn pro Essen. „Schmeckt's?“ — „Gucken Sie sich doch meinen Kollegen an, der ist zufrieden“, feixt einer im Blaumann, und sein dicker Kollege lacht. Vivianne Agena
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