Selbstreinigung mit Blutbild

■ Bremer Evangelische Kirche zeigt Kunst zwischen Religion und Mythos / Blasphemien? Gottessuche?

hier Heilsgebilde

Künstler sind kreativ. Gott ist der große Kreator. Auf diesen Zusammenhang weist Jürgen Schilling, Hamburger Ausstellungsmacher, hin. Und erklärt so, warum sich ausgerechnet die Bremer Evangelische Kirche mit einer Kunstausstellung präsentiert. „Sinnbilder — Kunst und Religion. Ein Dialog“ heißt die Ausstellung mit Arbeiten von Blume bis Waller im Forum

Langenstraße.

Kunst und Kirche — die Protestanten haben einiges wiedergutzumachen, seit sie die Bilder aus den Kirchen warfen. Und moderne Kunst zu zeigen, empfindet sie immer noch als „Wagnis“, wie Pastor Horst Janus (Haus der Kirche) vor der Presse gestand. Denn was zum Thema jenseits von Kirchen-Auftragskunst heute entsteht, ist für das ungeübte Auge oft von Blasphemie nicht zu unterscheiden. Und ist doch vielleicht Gottsuche?

Umstrittenster Künstler — man erinnere sich an das Gezerre um eine Frankfurter Professur — ist der österreichische Blut- und Opferorgiast Hermann Nitsch, der seinerzeit mit Otto Mühl zusammen feuilletonwirksam Schweine erledigte. „Aktionsmalerei“ hieß das: Im „Abstieg in mythische Bereiche, in archetypische Extremsituationen“ suchte er Dionysos, um ihn ekstatisch zu zerreißen. Heute noch malt Nitsch wüst, mit Körperspuren, und zeigt auch gern seine „Relikte“ des „Orgien-Mysterien-Theaters. (Ein Exemplar zeigt, nicht zufällig gleichzeitig, zusammen mit neueren Arbeiten das Neue Museum Weserburg: Was wirkt wie ein Bettlaken mit Wasserschaden, war einst ein Bluttuch!) Im Forum sind zwei seiner „Malhemd-Bilder“ ausgestellt: krude Farbexaltationen mit Kreuzsymbolik.

Formal als Triptychon ein Altarbild, ist auch „Von den Kindern, die nicht mehr essen wollen“ ein Blutbild; Felix Droese hat es 1985 gemalt — aus Schweineblut, Erde, Blattgrün und Öl. Der Beuys-Schüler zeigt hier einen Hungerstreik der Kinder gegen das feindliche Leben. In dieser Nachbarschaft bekommt selbst ein Waller mit seinem strengen schwarz-in-schwarz Kohlebild existenzialistischen Schwung: ein Querbalken, ein senkrechter, und im dritten Bild ist's ein Kreuz! Wobei ihn selbstredend das Kreuz „bloß als Form“ interessiert, „das hat nichts mit Kirche zu tun.“

Dorothee von Windheim hat der Hl.Veronika Schweißtüchlein des Herrn auf Gaze übertragen; der Nagler Günther Uecker ist mit einer Serie von vier mit Asche bemalten Leinwänden vertreten. Ausgestellt sind auch Arbeiten von Prager, Hahn, Kaletsch, Klein, Kluge, und Maerker. „Die Warenästhetik ist die eigentliche sakrale Kunst heute,“ sagt Bernhard Johannes Blume, der tiefe Begriffe mit flachen Zeichen versieht: ein „Abhaken, vielleicht auch im Sinne eines Verlustes.“

Gegen das angestaubte Image der Kirche soll's helfen und weiß Gott nichts mit Mission zu tun haben; darum und wegen der Schwellenangst wurde die Schwelle weit zurückgelassen und das Forum Langenstraße gewählt. 140.000 Mark war's der Kirche teuer, wobei Sparkasse, Stadtwerke und Wirtschaftssenator halfen. Am Sonntag wird zunächst Nitsch in der Weserburg eröffnet (16 Uhr); dann „Sinnbilder“ in der Langenstraße (17 Uhr). Wedemeier demonstriert, darum hält Helga Trüpel eine Rede. Bus / Abb.: B.J.Blume:

Hostie, Heilsgebilde