Sozialdemokratie vor dem Umbau?

■ In einem Brief an die Delegierten des Sonderparteitages warnen SPD-Abgeordnete vor weitreichender Kursänderung

Bonn (taz) —Die SPD-Bundestagsabgeordneten Albrecht Müller und Horst Peter haben sich mit einem Brief an alle Delegierten des bevorstehenden Sonderparteitags gewandt. Darin warnen sie vor einer Richtungsänderung der SPD, die weit über die Asylfrage hinausgehe. Die beiden Parteilinken sorgen sich um eine Anpassung an Rechtstrends und Stimmungen. „Die SPD verändert ihren Charakter. Sie wird profillos“, heißt es in dem Brief.

Auch in der Sozial- und Gesellschaftspolitik vollziehe sich mit den Petersberger Beschlüssen eine Änderung. Während im Berliner Parteiprogramm noch von „Erhaltung und Ausbau des Sozialstaates“ gesprochen werde, markiere die Formel „Umbau statt Ausbau“ einen Kurswechsel. „Im stillen“ fände ein Abrücken vom Berliner Programm statt. Der ökologische Konsens drohe verloren zu gehen. Die beiden Abgeordneten wollen ihre Bedenken nicht als Frontalangriff auf Engholm, „den wir schätzen und dem wir vertrauen“, verstanden wissen.

Sie vermissen jedoch eine angemessene Strategiediskussion in den führenden Parteigremien. Gegenüber der Union sei man „naiv“. Der Union ginge es in der Asylfrage nicht um Lösungen, sondern um parteipolitische Instrumentalisierung. Vor allem bezweifeln Müller und Peter, daß Anpassung an die Konservativen ein geeignetes Mittel zur Bekämpfung der Rechtsradikalen sei.

Müller wandte sich gegen bestimmte Kategorisierungen, die während der innerparteilichen Asyldebatte um sich gegriffen habe. Kritiker der Asylwende seien als „Gesinnungsethiker“ etikettiert worden.

An den Parteivorstand hat sich der Parteilinke Peter von Oertzen mit einem Schreiben gewandt, um seine Position zur Asylfrage darzulegen. Das „derzeitige eifrige Nachbessern“ der Petersberger Beschlüsse zeige, daß diese Wende „in der Sache falsch“ sei. Dennoch räumt Oerzten ein, „eine Art Frontbegradigung — etwa auf der Linie der Schröderschen Vorschläge“, sei „wohl unvermeidlich“. tib