RAF-Gefangene vor Freilassung

■ Die Bundesanwaltschaft und der Verfassungsschutz werten die Erklärung des RAF-Gefangenen Karl-Heinz Dellwo als ernstgemeintes, positives Signal

Berlin (taz) — Die sogenannte „Kinkel-Initiative“ scheint wieder in Gang zu kommen. Nach der Stagnation der letzten Wochen und Monate soll am 7.Dezember die vorzeitige Haftentlassung der in Celle inhaftierten RAF-Gefangenen Karl-Heinz Dellwo (40) und Lutz Taufer (48) vom Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) geprüft werden. Das bestätigte gestern die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Nach den Angaben des Anwaltes von Taufer, Dieter Adler, werden sich dazu drei Richter des zuständigen 6. Strafsenats und ein Bundesanwalt in der Haftanstalt Celle einfinden. Dellwo und Taufer sind, wie die in Lübeck einsitzende Hanna Krabbe, 1977 wegen zweifachen gemeinschaftlichen Mordes bei dem Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die am Donnerstag nachmittag veröffentlichte Erklärung von Karl- Heinz Dellwo (siehe Dokumentation Seite 10) ist sowohl beim Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz als auch bei der Bundesanwaltschaft begrüßt worden. Dellwo hatte im Namen der zu lebenslanger Haft verurteilten RAF- Gefangenen erklärt, „keiner von uns wird nach seiner Freilassung zum bewaffneten Kampf zurückkehren“. Der Verfassungsschutz sprach von einem „hoffnungsvollen Zeichen“. Die Abkehr werde „in einer von diesen RAF-Inhaftierten bisher vermiedenen Eindeutigkeit“ ausgesprochen. Dellwo hatte weiter den „Verzicht der RAF auf die Fortsetzung ihrer bisherigen Politik als überfällig“ bezeichnet. Obwohl die „Kinkel- Initiative ihren „Realitätsbeweis schuldig“ geblieben sei, kündigte der Gefangene an, daß für alle RAF-Gefangenen, die länger als 15 Jahre in Haft sind, Entlassungsanträge gestellt werden sollen.

Auch für den kranken RAF- Gefangenen Bernd Rößner ist beim 6. Strafsenat des OLG ein Verfahren zur möglichen Strafaussetzung anhängig. Nach Angaben einer Düsseldorfer Justizsprecherin ist eine Entscheidung aber noch nicht gefallen. Rößner sollte ursprünglich im Rahmen der „Kinkel-Initiative“ vom Bundespräsidenten begnadigt werden. Er wurde statt dessen auf Anweisung von Justizministerin Leutheusser- Schnarrenberger für 18 Monate von der Haft verschont, damit er an einer Therapiemaßnahme teilnehmen kann. Dellwos Erklärung zufolge hätte sich am Beipiel Rößners „eine politische Zäsur auf der Staatsseite artikulieren können“. Die jetzige Entscheidung zeige aber, daß „die Behandlung aller Fragen nicht nur der Form, sondern auch dem Inhalt nach an die Justiz abgegeben worden ist“. Und diese, kritisierte Dellwo, werde „aus ihrer ideologischen und normativen Fixierung heraus erst recht nicht die Entscheidungen treffen, zu denen die Politik nicht willens ist“.

Die Kölner Verfassungsschützer gehen davon aus, „daß die Erklärung nach Abstimmung mit den übrigen in Celle und Lübeck einsitzenden Gefangenen aus der RAF erfolgte und eine ernstgemeinte Willensbekundung darstellt“.

Die Karlsruher Bundesanwaltschaft kündigte an, die „Erklärung künftigen Gewaltverzichts“ werde in den anstehenden Verfahren um eine vorzeitige Haftentlassung „positiv gewertet“. Die aus ihr resultierende „positive Täterprognose“ werde „in Relation zur individuellen Schuld“ gesetzt. Wolfgang Gast