: Lücken fressen keine Fläche
■ “Ökostadt“-Symposium zur Baulückenbebauung / 700 Wohnungen auf Parkplätzen
“Wir alle, die wir hier über Flächenfraß diskutieren, sind die Hauptverursacher des seit Jahren stetig steigenden Flächenverbrauchs. Oder mal ehrlich: Wer von uns begnügt sich mit 35 Quadratmetern Wohnfläche?“ fragte Siegfried Kotthoff, Mitarbeiter beim Senator für Umweltschutz und Stadtentwicklung provokativ in die Runde der „Lückentagung“. Und viele nickten verschämt. Der Verein „Ökostadt“ hatte zum Symposium „Lücken füllen statt Löcher reißen“ eingeladen. Architekten, Stadtplaner und Politiker diskutierten die Chancen sogenannter „Innenentwicklung“ von Wohnen und Gewerbe in der Stadt, die eben keinen Flächenfraß mehr produziert. „Das wichtigste ist, daß wir hier zusammensitzen“, betonte Peter Foerster-Baldenius, der Referatsleiter für ökologischen Städtebau in Berlin. Denn die Kirchturmpolitik der vergangenen Jahrzehnte sei ökologisch nicht mehr zu verantworten. Doch um Lücken bestehender Wohngebiete zu bebauen, sind besondere Konzepte und Kooperationsbereitschaft nötig.
Zwar haben die Mieter der bestehenden Wohnungen keine speziellen Rechtspositionen, sind von der nachträglichen Verdichtung aber natürlich besonders betroffen. Ihre Bedürfnisse müßten von Anfang an einbezogen, die Planung entsprechend transparent gemacht werden. „Wir brauchen dafür eine breite Akzeptanz“, betonte auch Wilfried Turk, Präsident der Architektenkammer in Bremen, „und dazu muß Politik die Rahmenbedingungen schaffen“ — bis hin zu gesetzlichen Instrumentarien. Auch Ralf Fücks, Senator für Umweltschutz und Stadtentwicklung, hatte die Notwendigkeit rechtlicher wie finanzieller Rahmenbedingungen betont, da Baulückenaktivierung oft an Eigentumsverhältnissen ihre Grenzen finde und die Stadt außer den Paragraphen auch einen Grundstücksfonds zur Durchsetzung von Baugeboten brauche.
Bernhard Wolter von der Gemeinnützigen Siedlungs-und Wohnungsbaugesellschaft in Berlin (GWS) stellte drei Projekte vor, wie seine Gesellschaft erfolgreich Lücken beplant und zum Teil schon bebaut hat. Dabei wurden in keinem der drei Beispiele die Grünflächenbilanz oder der bestehende Wohnraum verändert. In einer Siedlung in Spandau waren beispielsweise die bisher sehr weitläufig versiegelten Autostellplätze zugebaut, die Stellplätze an den Straßenrand verlegt worden. Mit den Neubauten war, so Wolter, eine „qualitative Weiterentwicklung der Siedlung“ verbunden: Es entstanden zusätzlich 44 Wohnungen, die behindertengerecht oder für Senioren geeignet waren. So gibt es dort nun eine Jugend-und eine Altenwohngemeinschaft sowie einen Seniorentreff.
Besonders schmackhaft hatte die GWS ihren Mietern die Verdichtung durch gleichzeitige Nachbesserung des Wohnumfeldes gemacht: Beispielsweise durch die Umgestaltung eines bisher tristen in einen sehr ansprechenden, mit Glas und Begrünung umbauten Hochhauseingang. Bei ihren Projekten hatte die GWS sämtliche Mieter, Organisationen und Behörden des Gebiets schon vor Planungsbeginn an einen Tisch geholt.
In Bremen sind vor allem Gebiete in Blockdiek, Kattenturm und Huchting für solche Lücken- und Ergänzungsbauten im Gespräch. 15 Prozent der in Bremen fehlenden Wohnungen sollen so entstehen. Bremens Baugesellschaft GEWOBA hat bereits signalisiert, daß auch sie bereit ist, Parkplätze ihrer Flächen zu überbauen. Theoretisch könnten so 7.000 Wohnungen entstehen, davon 700 schon „in den nächsten Jahren“, so Eberhard Kuhlenkampff, Geschäftsführer der Gewoba. ra
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