„Im Grunde bin ich ein Erzkapitalist“

■ Gesichter der Großstadt: Dieter Peuker, Landesvorsitzender der Grauen Panther

„Sag mal, ihr spinnt ja wohl mit eene Mark siebzig für eure Zeitung! Also ich kann mir das jedenfalls nicht leisten!“ Übertriebene Höflichkeit oder gar Anbiederung bei der Presse – für Dieter Peuker, Landesvorsitzender der Grauen Panther in Berlin, sind das Fremdwörter. „Wir sind die unbeliebteste Organisation in diesem Land, selbst die Grünen haben uns gefressen wie zehn Pfund grüne Seife“, sagt er unter Berufung auf den abgebrochenen Sprachrohrvertrag von Grün und Grau. Aber der Stolz in seiner Stimme ist unüberhörbar. Dabei führt der Mann mit den radikalen Positionen ein eher bürgerliches Leben. Der gelernte Einzelhandelskaufmann ist Chef eines Bodenverlegerbetriebs mit sechs Angestellten. In seiner Schöneberger Neubauwohnung sind die Wände mit Bildern gepflastert, auf den Möbeln im Antikstil stapelt sich der Nippes, und der geblümte Schlips paßt farblich zur Polsterung der Stühle.

„Mein Hobby war schon immer die Politik.“ Den Grund für sein späteres soziales Engagement sieht der 52jährige, der sich als Armeleutekind bezeichnet, in den Erfahrungen der Nachkriegszeit. Beim Heimaturlaub von der Front gezeugt, kommt er als Halbwaise zur Welt. Mit Schulspeisung und geschmuggelten Lebensmitteln bringt die alleinerziehende Mutter ihre vier Kinder durch. 1951 erhält er einen Stiefvater – man zieht mit Pferdekutsche in den Westteil der Stadt. „Wir haben uns damals FDJ-Ausweise besorgt, damit konnten wir hier für 25 Pfennig ins Kino.“ Nach der Volksschule steigt der Lehrling in einem Geschäft für Farben und Bodenbeläge bis zum Filialleiter in der neuen Zweigstelle auf. Aber zwölf Tage nach der Eröffnung wird die einstige Hauptverkehrsstraße durch den Bau der Mauer zur Sackgasse, der Laden hat keine Chance. Auch ein Experiment als Kneipenbesitzer endet in der Pleite. „Danach mußte ich erstmal wieder ordentlich Teppiche verkaufen.“ Beim einträglichen Schwarzverlegen nach Ladenschluß kam ihm dann die Idee, sich als Bodenverleger selbständig zu machen.

Mit 23 Jahren verheiratet sich der Berliner, am zehnten Hochzeitstag eröffnete ihm seine Angetraute dann, daß sie einen anderen liebe. Er zieht von einem Tag auf den anderen aus, den damals neunjährigen Sohn sieht er nur noch zweimal im Jahr – weil er nicht alle vier Wochen „die Brühe aufwärmen“ will.

„Ich war früher soo ein Machotyp. Aber die Panther haben mein Weltbild ganz schön auf den Kopf gestellt.“ Vor rund zehn Jahren hatte das derzeitige CDU-Mitglied einen Auftrag in einem Seniorenheim. Als eine der älteren Damen ihm bei der Arbeit zugucken will, kriegt sie von der Ordenschwester eine Ohrfeige. „Der habe ich aber die Meinung gegeigt. Wenn mein Rechtsempfinden verletzt wird, gehe ich auf die Palme.“ Seine Zivilcourage bringt ihn um den Auftrag, statt dessen besucht er das nächste Treffen der Grauen Panther. „Das waren tolle Leute, aus allen Parteien und allen Generationen. Ich bin da mehr und mehr 'reingerutscht.“ Heute zählt er zu den schärfsten Kritikern der Kohl- Regierung.

„Im Grunde bin ich ein Erzkapitalist.“ Dieter Peukers ideologischer Balanceakt ist beeindruckend, wenn er im selben Atemzug meint: „Die Ossis sind von einer Diktatur in die nächste gestolpert.“ Mit der Vereinigung habe die BRD 108.333km2 Boden geschenkt bekommen, dazu 1,2 Billionen Mark an Volksvermögen in Form von Bargeld und Produktionsmitteln. Jantje Hannover