Nachschlag

■ Bert Papenfuß-Gorek in der Wabe: Jetzt auch vertont

Deutschland, deine Szenen: „Zum kommunalen Kulturzentrum im Ernst-Thälmann-Park gehört – als größter Raum dieses Komplexes – die WABE.“ Und trotz der knarrenden DDR- Sprache im Prospekt erweist sich der Veranstaltungsort keineswegs als Ort von kollektiver Tristesse oder Insider-Aggressivitäten. Die Atmospähre ist freundlich. Wenn auch etwas Langeweile durch die Lüfte flattert; vorerst ist sie noch nicht genauer zu lokalisieren. Dabei müßte es für Freunde alternativen Liedgutes eine Freude sein, des Kommenden zu harren: zu Papenfuß- Goreks Lyrik endlich die passende Musik, die seinem neuen Gedichtband „NUNFT“ bereits als CD beigegeben wurde.

Zwischen ersten Gitarrenanschlägen und dem schrillen Pfeifton von Rückkopplungen (Panne oder neueste Ästhetik?) tritt der Meister auf, stellt die Gruppe Novemberclub vor und liest Gedichte. Aus ihnen sind die Namen der Szene-Lyriker Sascha A. und Stefan Döring zu erfahren. Und Gabi Kachold hat geheiratet. (Wo bleibt das Wortspiel zum neuen Ehemann?)

Anderes war im Rausch der Mikrophone leider nicht zu verstehen. Von der im Buch angekündigten Musik als „Poesej & Krach“ wurde man, letzteres betreffend, jedoch keineswegs enttäuscht: Dissonanzen, Stakkati und Schlagzeug-Einlagen, die den Eindruck hervorriefen, die um Coolneß bemühten Musikanten seien hoffnungslos zerstritten. Zwischen Zigaretten und Gitarre setzte dann ein Smoke-Talk ein, in dem einige Worte herausgeschrien wurden, zum Teil in englisch. (Aber wie übersetzt man NUNFT? Eventuell mit EASON?) Kurze Ansätze zu Rhythmus und Rock wurden im Saal geradezu flehend mit Beifall bedacht, die interessante Blues-Stimme der Sängerin Sarah Marrs hätte mühelos eine packende Mischung zustandebringen können. So aber grollte musikalisch eher ein jeder vor sich hin, die vermeintliche Wut, schließlich sind wir in Deutschland, sie blieb reichlich diffus.

Auch Papenfuß-Gorek, mit schwarzem Stehkragen versehen und wie Graf Dracula nach jeder Krach-Einlage erneut ins Scheinwerferlicht schlendernd, konnte da nicht weiterhelfen. „Heiße Scheiße / kalte Scheiße / Oder-Neiße-Scheiße: / Wolf Biermann hat sich dazu noch nicht geäußert.“ Gewiß mußte auch das einmal gesagt werden, der subtile Wortwitz explodiert förmlich – aber nur wohin? Wer ist schuld: Biermann, die Stasi, die Täter (die es für Papenfuß-Gorek so undifferenziert gar nicht gibt) oder doch gleich der ganze Kosmos, zumindest aber der halbe Osmos?

Genaueres war an diesem Abend darüber nicht in Erfahrung zu bringen, auch wenn der Satz (immerhin ein Satz) „Wolf Biermann hat sich dazu noch nicht geäußert“ noch ein manches Mal fiel. Aber selbst diese neue Art umgelenkten Vatermords fiel dem Trübsinn der Ungenauigkeit sich einander erschlagender Satzfetzen zum Opfer. Für einen Sinn zu verwirrt, für Unsinn noch viel zu bieder. Nein, der Dichter machte keine gute Figur, beim Lesen von einem Papenfuß auf den anderen tretend, in der Stimme um nölendes Desinteresse bemüht. Die Rückkopplungen waren da noch das Schönste: Goreks Nachtgesang.

Was danach bleibt, ist nur die verbale Militanz des Statements: Wenn ich solche Lyrik höre, entsichere ich meinen Morgenstern. Geliebtes kleines Großes Lalula, bewahre uns mit Deinem entepent e leilolente vor dem überambitionierten Umpfsinn der Nachgeborenen, ihren krähenfüßigen Veitstänzen im Lustgarten des Nonsens! Ansonsten: Gabi Kachold hat geheiratet. Der autistische Kreislauf ist wieder geschlossen. Und die gewünschte Zugabe am Schluß galt Sarah Marrs, die sich mit einem Solo stimmgewaltig verabschiedete, ohne darüber zu greinen, daß sich Nina Hagen darüber noch nicht geäußert habe. Soviel Nünftigkeit erfreut dann doch. Marko Martin

Die Veranstaltung fand am Samstag, dem 7.9., in der WABE statt, Dimitroffstraße 101