„Wir bezahlen mit unserer Haut“

■ In Berlin-Spandau durfte ein Roma mitpredigen

Berlin (taz) – Pfarrer Peter Kranz hatte sich für seinen sonntäglichen Gottesdienst in der Lutherkirche von Spandau etwas Besonderes ausgedacht. Weil immer wieder Roma-Frauen vor der Kirchentür gebettelt und manches Gemeindemitglied in Unruhe versetzt hatten, lud er einen Roma zum Mitpredigen und Fragenbeantworten ein.

„Der Schutz der Verfolgten ist ein besonderes Gebot Gottes“, legte der Pastor seiner Gemeinde ans Herz, „aber die Kirche hat es selbst oft genug gebrochen.“ Vor allem im Nationalsozialismus. Die Reichspogromnacht, so erinnerte er am Vortag des 9.November, sei der Anfang für den rassistischen Vernichtungsfeldzug gewesen, dem auch eine halbe Million Sinti und Roma zum Opfer fielen. Rajko Djuric, aus Belgrad geflohener Generalsekretär des Romani Pen-Clubs und Präsident des Weltrats der Roma und Sinti, lag es jedoch mehr am Herzen, von der aktuellen Verfolgung in Südosteuropa zu berichten. In Rumänien betreibe eine große faschistische Bewegung, die Vatra Romaniasca, die systematische Verfolgung der Roma, „ganze Dörfer werden angezündet“. Früher habe es in Jugoslawien eine Million Roma gegeben, aber niemand wisse, wie viele überlebt hätten. „Tausende sitzen in bosnischen Konzentrationslagern, und in Sarajevo sterben die Roma-Kinder wie die Fliegen, weil niemand sich um sie kümmert. Wir Roma und Sinti bezahlen mit unserer Haut.“

Die Gemeinde wurde um Fragen gebeten. Etwas zögerlich kamen sie, die Bemühung um die korrekte Wortwahl war zu spüren. Welche Sprache die Roma sprächen, weshalb sie überhaupt umherzögen, warum die Mentalität so verschieden sei. Und warum bettelnde Frauen alles ihren Männern abgeben, „sollen die Männer doch selber betteln“. Auch der Pfarrer hatte eine: Weshalb werfen sich Roma-Frauen bittend auf die Knie und werden im nächsten Moment von einem Wagen abgeholt, der um die Ecke wartete? „Es gibt solche“, nickte höflich lächelnd der Schriftsteller. Manche, berichtete er mit besorgtem Gesicht, „werden durch die Mafia unter den Roma und Sinti zu so etwas und Schlimmerem gezwungen“.

In der Gedächtniskirche und der Gethsemanekirche riefen der EKD-Vorsitzende Klaus Engelhardt und Bischof Martin Kruse die Christen zu Zivilcourage auf. usche