Substitution hilft den Abhängigen

■ Bericht: Psychosoziale Betreuung fehlt / Hilfe ja, aber auch ein Schritt in den Ausstieg?

Drei Jahre nach dem Beginn des Methadon-Programms in Bremen hat Gesundheitssenatorin Irmgard Gaertner (SPD) gestern einen ersten Zwischenbericht über Erfolge und Mißerfolge der Substitution von Drogenabhängigen mit dem Ersatzstoff Polamidon vorgelegt. Ihr Fazit: „Es gibt keine Veranlassung, das Verfahren nach unten zu verringern, die Substitution ist nicht der falsche Weg.“

Der Bericht ist als wissenschaftliche Begleitung des Methadon- Programms gedacht und wurde vom BIPS (Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin) und dem Institut für Psychologie und Kognitionsforschung der Uni Bremen erarbeitet. Der gravierendste Mangel des Programms, den die beiden Institute in den Bericht schrieben: Ärzte und Drogenhelfer sind mit der gegenwärtigen Vergabepraxis nicht zufrieden. „Dies gilt besonders für das Angebot an begleitenden Maßnahmen (85 Prozent eher unzufrieden)“, schreiben die Autoren. Psychologe Peter Kruse: „Die Substituierten erhalten durch das Methadon einen Freiraum, den sie positiv nutzen wollen.“ Die Studie stellt aber fest: Die Drogenberatungsstellen können die psychosozialen Probleme Abhängiger in ihrem Alltagsgeschäft nicht lösen: „Das Beratungs- und Betreuungsangebot besteht in erster Linie aus Alltagshilfen und Sozialberatung“, heißt es in dem Zwischenbericht.

Aus Sicht der Substituierten hat die Methadonvergabe dagegen eine Vielzahl von positiven Folgen: „Die Krankheiten der Abhängigen haben sich unter der Methadon-Substitution erheblich verbessert“, sagt BIPS-Autorin Christel Zenker. Die Leberwerte der PatientInnen werden deutlich besser, Venenerkrankungen und Geschlechtskrankheiten gehen deutlich zurück, Spritzenabszesse verheilen. Die Zahl der HIV-infizierten Abhängigen hat sich in der Methadonbehandlung konstant gehalten: 14 von 86 Männern. über die HIV-Angaben zur Untersuchung vorlagen, waren mit dem Virus infiziert, bei den Frauen waren es von 59 neun.

Untersucht wurden im Zeitraum Oktober bis Dezember 1991 195 Substituierte, die von 39 Ärzten behandelt werden. Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren 289 Abhängige im Methadonprogramm, mittlerweile sind es etwa 450 Abhängige. Der Bericht ist das Ergebnis von Befragungen, die unter den Substituierten von Mitarbeitern der beiden Institute durchgeführt wurden.

Dabei förderten sie interessante Daten über die Substituierten zutage. Nur sechs Prozent der PatientInnen haben vor der Substitution noch keine Entgiftungs- Therapie durchlaufen, die meisten dagegen mehrmals. „Nahezu ein Drittel der Substituierten verweist auf mindestens 9 Entgiftungen“, heißt es in dem Bericht. Über die Hälfte der befragten haben bereits eine Therapie hinter sich.

Auch das in der Substitution besonders heiß gekochte Thema Beimischung von Drogen haben die Autoren des Berichtes nicht ausgelassen. Nur 33 Prozent der von den Instituten Befragten PatientInnen nehmen danach noch Heroin im Beigebrauch, obwohl die Zahl bis zu 80 Prozent erreichen kann. Ein „überraschendes“ Ergebnis, finden die Autoren, möglicherweise aber auch ein Fehler in der Methode.

Die Befragungen werden in diesem und im nächsten Jahr weitergeführt. Die Schlüsselfrage, ob Methadon eine Hilfe für den Ausstieg aus dem Drogenkonsum ist, beantwortete die Gesundheitssenatorin aber gestern schon positiv: „Substitution ist ein Schritt in die Abstinenz.“ Im Bericht heißt es dagegen: „Die Drogentherapie wird (von Substituierten) eher negativ eingeschätzt.“ mad