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"Wir wären finanziell verendet"

■ Anhörung zum Innenstadtring: Münchner Politiker warnen vor den Kosten des Straßenausbaus / Verkehrsverwaltung gesteht ein, daß der Stau nicht aufzulösen ist / 80.000 Pendler zwischen Alex und Zoo

Prenzlauer Berg. Der in Berlin geplante Straßenausbau ist nicht finanzierbar. Aber Geld allein ist nicht das Problem: Selbst mit mehreren Milliarden Mark wäre „der Stau“ in der Stadt nicht aufzulösen. Das gestand Georg Müller, Referatsleiter für Verkehrsentwicklungsplanung in der Verkehrsverwaltung, auf einer Anhörung ein, die die Fraktion „Bündnis Prenzlauer Berg“ am Wochenende veranstaltete. Dennoch halten die Verwaltung und der Senat an der Vervollständigung des inneren Stadtrings (Tiergarten, Kreuzberg, Friedrichshain, Prenzlauer Berg), an dem Aus- und Neubau des mittleren Rings (Stadtautobahn, Bornholmer Straße, Treptow, Neukölln) und dem Neu- und Ausbau von Zufahrtsstraßen fest. Bis zum Jahr 2000 ist für den kommunalen Straßenbau eine Summe von etwa 1,1 Milliarden Mark vorgesehen – für den Ausbau von U-, S- und Straßenbahn 3,4 Milliarden Mark.

Auf der Anhörung berichtete der Verkehrspolitiker der Münchner Grünen, Joachim Lorenz, daß in der bayerischen Landeshauptstadt der geplante Ausbau von drei Ringen ebenfalls nicht mehr zu finanzieren sei. Die rot-grüne Koalition habe 1990 von der bisherigen Straßenplanung aus ökologischen Gründen Abschied genommen – erst heute sei der Stadtregierung aber bewußt geworden, daß man auf Grund von Geldmangel mitten in den bis zu 18 Jahre dauernden Bauarbeiten „steckengeblieben“ wäre. Der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Thomas Lange, wies darauf hin, daß ein U-Bahn-Tunnel 40 Prozent billiger sei als ein Autotunnel. Weil die U-Bahn aber zwei- bis dreimal mehr Leute transportiere, sei das öffentliche Verkehrsmittel unterm Strich zehnmal so effizient. Heute sei die SPD froh, von ihrer autogerechten Politik abgegangen zu sein: „Wir wären finanziell verendet.“

Untersuchungen sollen ergeben haben, daß bei einem Ausbau der Münchner Straßenringe und eines Milliarden Mark teuren Ausbaus des Öffentlichen Nahverkehrs am Ende kein Autofahrer auf Bus und Bahn umgestiegen wäre. Lorenz: Das Verhältnis zwischen Individual- und Öffentlichem Nahverkehr wäre gleichgeblieben. München hat sich entschieden, Teile des innersten Ringes – den Altstadtring– abzureißen.

Mit Milliarden-Investitionen werde kein Problem gelöst, sagte Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Berliner Fraktion Bündnis 90/Grüne. Die Berliner Verkehrs-Betriebe (BVG) sollen für die Verbindung zwischen Alexanderplatz und Zoo täglich bis zu 800.000 Pendler prognostiziert haben. In der Spitzenzeit müßten pro Stunde 100.000 Menschen bewegt werden. Wollte man das mit dem Auto bewältigen, bräuchte man 32 vierspurige Straßen zwischen Alex und Zoo. „Wer das will, darf sich hinterher nicht wundern, daß die Stadt weg ist“, so Cramer.

Der Vertreter der SPD, Kurt Blankenhagel, bezeichnete vor den rund 70 Zuhörern das SPD- Verkehrskonzept als zukunftsweisend. Das Bus- und Bahnnetz solle ausgebaut, der Radverkehr stärker berücksichtigt und die polyzentrale Stadtstruktur, bei der die Entfernungen zwischen Wohnen und Arbeiten möglichst kurz seien, erhalten werden. Das Straßennetz müsse ausgebaut werden, weil der Öffentliche Nahverkehr die Verkehrsanforderungen alleine nicht bewältigen könne. Dirk Wildt

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