■ Der „Playboy“ über Sex im deutschen Fernsehen
: Liegesessel Grottenholm

Warum ausgerechnet die Traditions-Masturbationsvorlage Playboy in ihrer neuesten deutschen Ausgabe den „Sex im deutschen Fernsehen“ als „altmodisch“, „schmutzig“ gar, ja „abstoßend“, „verdummend“ und „unerotisch“ verreißt – wer weiß. Vielleicht war's eine Freudsche Fehlleistung? Vielleicht aber auch echte Selbstkritik oder eine schlichte Themenflaute?

Die Antwort ist müßig, denn ausnahmsweise ist den Meistern des sterilen Sextanertraums ein lesenswerter Text ins Heft gerutscht. Schreiber Volker A. Zahn hat sich mit gut Wut durch das Angebot gezappt und Kanal für Kanal getestet. Nachdem er erst mal hoch und eilig versichert hat, daß die Happy Playboy Hour von RTLplus „rein gar nichts“ mit der Zeitschrift Playboy zu tun hat, legt Zahn auch schon los.

Sein Urteil über die RTL-Sendung: „Eine mephistophelisch bumsfidele Circus-Roncalli-Peepshow im Porno-Ambiente des Ikea-Katalogs (siehe Liegesessel ,Grottenholm‘, auch als ,Willy‘ lieferbar, Drehschrank ,Dauerständer Hans Jochen‘ etc.). So scharf wie das Parteiprogramm der SPD.“ Auch an „Mann-o-Mann“ von Sat.1, der Sendung, in der Frauen ihre Lieblingsmänner (Zahn: „Kackspechte“) austesten, findet er keine Freude: „Nicht nur kaspern sich die abgefeimtesten Schnarchsäcke und Sackgesichter mit einer dermaßen penetranten Vernageltheit durch diese Hanswurstiade – die Frauen wählen mit traumwandlerischer Sicherheit immer den allerwiderwärtigsten Schmock und Schmierlappen zu ihrem Supermann.“

Zu „Tutti Frutti“ von RTL wird kaum noch was vermeldet, denn die wird ohnehin bald abgesetzt. Fazit: „Der tutti plemplem angerichtete Fruchtsalat“ des „Zotenbolds aus der Witzgosse“ Hugo Egon Balder lasse „jeden Strip- Workshop der Volkshochschule wie eine Lehrstunde der Hoch- Erotik aussehen“.

Kurz abgehakt auch der „Sex- Wunschfilm“ der Woche vom selben Sender: „Spiegel der aktuellen Befindlichkeiten von Lastwagenfahrern“ sowie die „Série Rose“ („Subventionstheater-Sex für Romanistikstudenten“). Die neue RTL-Kiez-Show „Die Rote Laterne“ ereilt das Urteil: „Unterklassiges Gehopse im Stil einer DDR-fernsehballetähnlichen Nacktrevue.“ „Eher journalistische und Reportage-Akzente“ setze Sat.1 an der Sexfront mit seinen regulären Nachtfilmen wie „Mädchen beim Frauenarzt“. Zahn: „Sat.1 nimmt eben keine Hand vor den Muttermund.“

Bei der ARD, so der Autor, fände Sex „nur unter Kunstvorbehalt statt: Als cineastisch angespitztes Knispeln (Rainer Werner Fassbinder), als szenische Aperçus über die multikoitale Gesellschaft (Volker Schlöndorff), als entwicklungspolitischer one world- und Ethno-Fick (Werner Herzog)“.

Ultimativer Höhepunkt im Ersten sei bislang eine Robert van Ackeren-Retrospektive gewesen. Die Spielfilmredaktion des Mainzer ZDF bezeichnet laut Playboy-Recherche allen Ernstes den Woody Allen-Film „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, sich aber nicht zu fragen trauten“ als ihren erfolgreichsten Sexfilm. Zahn: Dieser „verwies alle anderen Sexfilme und -magazine des Senders („Gesundheitsmagazin Praxis“, „Alf“ etc.) auf die Plätze“. Nur ein Kanal wird am Ende gnädig verschont – Tele5. Denn: „Vor seiner längst überfälligen Eindampfung zum Sportkanal hält sich der Mini-Sender mit der Übertragung schlüpfriger Disziplinen demonstrativ zurück.“ Alles in allem ist diese Sex-Kritik ein erneuter Beweis dafür, daß das geschriebene Wort weit erotischer ist als der Porn zum Korn. Gibt es womöglich den Playboy bald ohne Bilder? kotte