Craxi-Nachfolge verkompliziert sich

■ Italiens Sozialistenchef will seinen Nachfolger selbst benennen

An sich wollte der italienische Sozialistenchef Bettino Craxi „überhaupt nicht mal daran denken“ – an seinen Rücktritt nämlich: „Ich bin und bleibe der Parteisekretär des PSI“. So jedenfalls tönte er noch Mitte der vergangenen Woche. Am Freitag sann er dann laut darüber nach, daß „eigentlich ein Mann, der die Regierung führt, sozusagen ganz natürlich auch irgendwie der Chef der betreffenden Partei sein könnte“: Ministerpräsident Giuliano Amato also könne durchaus das Amt des Sozialistenführers übernehmen, und wenn das so sei, so die nächste und vorerst letzte Craxi-Version vom Sonntag, „kann ich gerne sofort abtreten“.

Wo nun im Partei- und Funktionärsvolk eigentlich eitel Freude aufkommen sollte, daß der zähklebrige, seit siebzehn Jahren wie ein Monarch herrschende Mailänder Bettino Craxi die Sozialistische Partei von seiner skandalgeschüttelten Leitung befreien will, herrscht seither eher Katerstimmung. Nicht, daß jemand den 58jährigen vermissen würde, machte er sich denn wirklich davon. Nicht, daß ihn irgend jemand halten wolle: die Notwendigkeit eines Führungswechsels ist bis in die letzte Parteigliederung bekannt, speziell angesichts der Tatsache, daß alle anderen Parteien dies schon hinter sich haben.

Doch mit Bettino Craxi verbindet sich eine derartige Menge an Frust und Intoleranz, an Herrschsucht und Erstickung freier Diskussion, daß das Parteivolk mit der Befreiung von Craxi auch und vor allem eine Totalrevision der parteiinternen Begegnungs- und Verhaltensweisen erhofft. Eine demokratische Erneuerung, wie sie seit Monaten gefordert wird, eine Säuberung auch von den Hunderten mit Strafverfahren überzogenen korrupten Funktionären und Regionalführern.

Genau das aber will Craxi mit seiner überraschenden Wendung vom Wochenende nicht zulassen. Er möchte seine Nachfolge im Hauruck-Verfahren regeln, und genau das wollen die übrigen bisherigen Führungsmitglieder ebensowenig wie die wartenden sozialistischen Aufstiegskandidaten.

So hat Justizminister Claudio Martelli, der maßgeblich an Craxis Sturz beteiligt war, harten Widerstand gegen die akklamatorische Bestallung des neuen Chefs angemeldet und fordert einen Sonderkongreß. Der Parteiyoungster, 45, war bis vor wenigen Monaten eigentlich Craxis Kronprinz gewesen, dann aber wegen seiner Kritik an der polemischen Behandlung der Bestechungsfälle durch die PSI-Führung in Ungnade gefallen. Er rechnet sich selbst gewisse Chancen aus – entweder als PSI- Chef oder als nächster Ministerpräsident, vielleicht auch unter Einschluß der Linksdemokraten (die Mehrheits-Nachfolgeorganisation der aufgelösten Kommunistischen Partei).

Auch die beiden derzeitigen Parteivize, der ehemalige Außenminister Gianni De Michelis aus Venedig und der Neapolitaner Giulio Di Donato, haben etwas gegen allzu große Eile: Beide sind in Parteispenden- und Korruptionsskandale verwickelt und müssen Zeit gewinnen, um sich möglicherweise den Verfahren zu entziehen und wieder wählbar zu werden.

Unsicher scheint auch der designierte Nachfolger Amato zu sein: Er tut so, als habe er den Ruf Craxis nicht gehört, arbeitet an seinen diversen Sanierungsprogrammen und erregt sich nach außenhin mehr über einen Maulwurf in der Regierung, der vorzeitig Privatisierungspläne verraten hat. Ansonsten sitzt er mit dem Führer der Minigruppe von der ehemaligen Radikalen Partei, Marco Pannella, zusammen, um über die Revision des erst vor drei Jahren eingeführten repressiven Drogengesetzes zu reden. Im Laufe der Woche will er „in aller Ruhe“ klären, wie die Stimmung in der Partei denn so steht.

Daß Amato eine Mehrheit bekäme, unterliegt keinem Zweifel, schon aus Mangel an präsentablen Alternativen. Doch der Quereinsteiger Amato – der ehemalige Staatsrechtsprofessor stieß erst Anfang der 80er Jahre zum PSI – weiß auch, daß ihm viele zumindest für eine Parteiführung und -säuberung zu wenig Durchsetzungskraft zutrauen. Schließlich war er selbst mehrere Jahre lang Craxis einziger Stellvertreter. Und just zu dieser Zeit war das Korruptionsunwesen im PSI zu jenen Blüten gelangt, die jetzt Hunderte von bekannten Sozialisten in den Knast gebracht hat.