Hermes ist tot, Columbus röchelt noch

■ Die europäischen Raumfahrtprogramme leiden unter leeren Staatskassen

Berlin (AP/taz) – Unter dem Druck leerer Staatskassen in allen Mitgliedsstaaten hat die Europäische Weltraumagentur (ESA) gestern in Granada zweitägige Beratungen über ein neues Raumfahrtprogramm begonnen. Dabei liegt den 15 für die Raumfahrt zuständigen Ministern (14 Europäer und ein Kanadier) ein Entwurf vor, der trotz Einsparungen von gut sieben Milliarden Mark bis zum Jahr 2000 noch immer Ausgaben von 45,7 Milliarden Mark vorsieht. Deutschland ist auf der Tagung durch Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU) vertreten. Die Bundesrepublik wäre nach den Plänen allein bis 1996 mit 5,1 Milliarden Mark dabei.

Sorgenkind aus deutscher Sicht ist vor allem das Laborprojekt Columbus. Die Finanzierung dieses ständig bemannten Raumlabors, das die ESA an die geplante amerikanische Raumstation „Freedom“ andocken will, war gestern noch ungeklärt. Riesenhuber war in der vergangenen Woche extra zu seinem Pariser Kollegen Hubert Curien gereist, um bei den wankenden Franzosen für eine Beteiligung zu werben. Curien ist eine zentrale Figur – er soll in Granada zum ESA-Präsidenten gewählt werden.

Die Kosten des Columbus-Labors, das 1999 starten soll, werden in Bonn mit fünf Milliarden Mark veranschlagt. Die Federführung beim Bau soll Deutschland haben, das auch 38 Prozent der Kosten trägt. Neben der Finanzierung des Labors ist auch noch ungeklärt, ob die neue US-Administration das amerikanische Raumfahrtprogramm in der geplanten Form fortsetzen wird. Columbus fände sonst keinen Hafen.

Frankreich hat bei bisher beschlossenen Sparmaßnahmen durch Verzicht auf die Entwicklung des Raumgleiters „Hermes“ das größte Opfer bringen müssen. Ebenfalls verzichtet wurde auf eine von Deutschland und Italien gewünschte freifliegende, nur zeitweise bemannte Plattform, die von „Hermes“ versorgt werden sollte. Insgesamt ist von den ehrgeizigen Vorstellungen, die die Raumfahrtminister auf ihrer Konferenz 1987 in Den Haag beschlossen hatten, nur ein Torso übriggeblieben. Lediglich drei Viertel des damals vereinbarten Projektvolumens kann jetzt durchgezogen werden, von den konkreten Vorhaben sogar nur noch 57 Prozent.

Unumstritten ist einzig der mehr zur Erde gerichtete Teil des neuen ESA-Programms. Dazu gehört vor allem eine Instrumentenplattform auf einer polaren Umlaufbahn, die rund 1,4 Milliarden Mark teuer ist. Die Plattform, die aus dem Columbus-Programm ausgegliedert wird, soll die Basis für zwei Satelliten-Missionen sein:

–zum einen für den Envisat, eine 1998 beginnende Umweltserie mit verbessertem Radar sowie Meßgeräten zur Untersuchung von Physik und Chemie der Atmosphäre.

–zum anderen für Metop, eine meteorologische Serie, die zur Jahrtausendwende für die mittel- und langfristige Wettervorhersage sorgen soll. Metop wäre dann auch ausgestattet mit neuen Instrumenten zur Klimabeobachtung.

Plattform und Satellitenpläne werden zusammen mit 3,8 Milliarden Mark veranschlagt. 17 bis 20 Prozent davon stammen aus deutschen Steuergeldern. Die Bundesregierung hat an den Plänen ein industriepolitisches Interesse. Eine führende Rolle soll bei dem Milliardenprojekt nämlich die zum Daimler-Konzern gehörende Firma Dornier spielen.

Völlig neu an den ESA-Plänen ist der Beginn einer Raumfahrt- Zusammenarbeit mit Rußland, der in Granada formell beschlossen werden soll. Das Geld dafür fließt später. In drei Jahren, so stellen sich die Forschungsminister heute vor, ist die derzeitige Rezession vorbei. Ihre Projekte sollen dann alle Jahre um 5 Prozent teurer werden dürfen, plus Inflationsausgleich. Zusammen mit den raumfahrterfahrenen Russen wird unter solch erträumten Bedingungen vielleicht der gerade begrabene Raumgleiter Hermes wieder lebendig.