Reform-Brei statt Radikalreform?

■ CDU und SPD: kritische Stimmen zur Parlamentsreform / Unbehagen wg. Anti-Filzmaßnahmen / Mehrheiten nicht in Sicht

/ Unbehagen wg. Anti-Filzmaßnahmen / Mehrheiten nicht in Sicht

Die Radikalreform der Hamburger Bürgerschaft - eine Vision, die einzig die Mitglieder der Enquete-Kommission „Parlamentsreform“ beseelt? Keinen Monat ist der 100 Punkte umfassende Experten-Bericht, der das Hamburger Landesparlament revolutionieren soll, im Umlauf, da sammeln sich die Unzufriedenen fast aller Fraktionen zum Protest. Veränderung ja, aber bloß nicht zuviel - die Vorschläge der Kommission drohen im Kompromißbrei zu versanden.

Der Unmut der Abgeordneten, besonders in SPD und CDU, entzündet sich vor allem an den „Anti- Filz-Maßnahmen“: Die Sachverständigen befanden, daß künftig ein Job im öffentlichen Dienst oder in einem öffentlichen Unternehmen mit dem Bürgerschaftsmandat unvereinbar sein solle. Eine Regelung, die in anderen Bundesländern bereits gilt. In Hamburg würde sie jedoch ein Drittel der Mandatsträger dazu zwingen, sich künftig zwischen einem Vollzeit-Engagement im Parlament oder einer lückenlosen Berufskarriere zu entscheiden.

Parlamentsverbot für einen ganzen Berufsstand, so murrt es jetzt bei SPD und CDU. Obwohl in ihrer Fraktion nur zehn von 44 Abgeord-

neten unter diese Regelung fallen würden (SPD: 35 von 61), ist der Mißmut der Christdemokraten nicht gering. Selbst der Vorschlag der Enquete-Kommission, das Mandat mit einer Diät von 6800 Mark brutto zu versüßen, weicht den Widerstand offenbar nicht auf. CDU-Fraktionsvize Martin Willich: „Für Teilzeit zu viel, für Vollzeit zu wenig.“ Eine Ansicht, die ungewöhnliche Allianzen hervorruft, denn auch FDP-Fraktionschef Reinhard Soltau und Hamburgs ÖTV-

Chef Rolf Fritsch teilen sie. Der Abschied vom Feierabendparlament - angesichts der Vorschläge der Enquete-Kommission scheint er für viele zur Schreckensvision geworden zu sein.

Die Mahnung des Vorsitzenden der Kommission, Wolfgang Hoffmann-Riehm, das Reformpaket nicht in seine Einzelteile zu zerlegen, sondern als Ganzes zu beraten, scheint in den Wind gesprochen. Willich: „Wir werden das Paket nicht wie die Bibel behandeln.“

Ähnlich klingt es auch bei SPD- Fraktionsvize Jan Ehlers: „Die Vorschläge sind die Ausgangsbasis für die Weiterarbeit.“

Wie das Mammutvorhaben Parlamentsreform überhaupt bewegt werden soll, ist jedoch völlig unklar. Die SPD wolle, so Ehlers, erstmal die öffentliche Meinung hören. Die CDU will zügig an der Reform arbeiten, kündigt Willich an. Doch beide Fraktionen harren noch der inhaltlichen Vorgaben ihrer Parteien. Die werden vor dem

nächsten Frühjahr - hier herrscht Einigkeit - nicht erwartet.

Für die GAL als einziger Fraktion, die das Reformpaket in Gänze begrüßt - ein klarer Fall. Krista Sager: „Die haben nicht die leiseste Ahnung, wie sie einen Konsens herstellen können.“ Das gesteht auch Martin Willich ein: „Was zum Schluß in den Fraktionen mehrheitsfähig ist, weiß niemand.“ Für die Reform bedarf es jedoch einer Zweidrittel-Mehrheit in der Bürgerschaft. Sannah Koch