Freie Träger sind in der Klemme

■ Die Haushaltseinsparungen des Senats machen sozialen Projekten und Initiativen das Arbeiten immer schwerer

Berlin. Die jüngsten Sparbeschlüsse im Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses machen es für freie Träger zunehmend schwieriger, ihre Arbeit fortzusetzen. Auf diesen Umstand machte gestern im Rathaus Schöneberg das Berliner „Projekte-Plenum“ aufmerksam, das rund 1.200 Vereine, Initiativen und Gruppen vertritt. Deren Sprecherin Karin Stötzner forderte gestern die Politiker aller Parteien auf, die Zuwendungen der freien Träger, die maßgeblich zur „sozialen Integration“ in Berlin beigetragen haben, von Kürzungen auszunehmen.

Unter anderem forderten die Vertreter die Abgeordneten auf, den Senat zu drängen, für landeseigene Grundstücke und Häuser nicht die ortsüblichen Mieten zu verlangen. Für ABM-Projekte im Osten sollten Konzepte gefunden werden, um weiter arbeiten zu können. Gefordert wurde zudem ein Beauftragter für Gewerbemieten, der mit einem eigenen Topf von fünf Millionen Mark für gekündigte freie Träger öffentliche Räume anmietet und instand setzen läßt.

Danach sieht es derzeit jedoch nicht aus. Der „Lesbenberatung Kulmer Straße“ etwa stehen harte Zeiten ins Haus. In der präventiven Aids-Beratung hat der Hauptausschuß dem Projekt ein Drittel, im psychosozialen Bereich ein Viertel der Stellen gekürzt. Das Projekt „Nozizwe“, das als einziges in der Bundesrepublik Frauen aus verschiedenen Ländern weiterbildet, soll gar alle sechs Stellen für Bildungsreferentinnen nicht mehr bezahlt bekommen. Sigrid Betzelt vom „Arbeitskreis autonomer Frauenprojekte“ zeigte sich enttäuscht über die Lage: „Die Politik betrachtet uns als Ladenhüter.“ Nur 0,06 Prozent des Berliner Haushalts entfielen auf die Arbeit von und für Frauen. Noch schlimmer sieht es im Osten aus, wo im Februar nächsten Jahres die ersten AB-Maßnahmen dichtmachen müssen. In sechs Frauenzentren, die sich seit dem Mauerfall gebildet haben, werden Mitte 1993 nur noch sechs von derzeit 72 Stellen übrigbleiben.

Die steigenden Mieten werden für die Projekte immer mehr zu einer Belastung. Der Schülerladen „Kinder aus Kreuzberg“ (Görlitzer Straße 43/44) muß sein Quartier nach zehn Jahren verlassen. Rainer Sauter vom „Verein SO 36“ forderte die Initiativen auf, der schleichenden Entsolidarisierung zu begegnen und Druck auf die Politiker auszuüben. Als Beispiel nannte er das Instrument der „Erhaltungssatzung“ in Kreuzberg: Jede Änderung einer Nutzung und damit eine mögliche Verteuerung muß der Bezirk genehmigen. Dies, so Sauter, könnte eine „Schwelle sein, um den Druck auf die Mietpreise und die Projekte zu nehmen“. Severin Weiland