■ Britannien: Dürfen Anglikanerinnen Priesterinnen sein?
: Regelmäßig Morddrohungen

London (taz) – Eine der wichtigsten Entscheidungen in mehr als 400 Jahren englischer Kirchengeschichte könnte heute nachmittag im Londoner Lambeth Palast fallen: Nach jahrzehntelanger Diskussion um die Gleichstellung der Geschlechter innerhalb der anglikanischen Kirche stimmt deren Hauptsynode endgültig darüber ab, ob Frauen künftig Zutritt ins Priesteramt haben oder nicht. Über 1.300 Britinnen stehen mit ihrem Wunsch, Priesterinnen zu werden, derzeit Schlange vor den Türen ihrer Staatskirche. Über ihr Schicksal werden die Stimmen von 563 Bischöfen, Priestern und Laienkörperschaften entscheiden.

Ganz gleich, wer diese Abstimmung gewinnt: Das Ergebnis wird einen noch tieferen Riß durch die Reihen der anglikanischen Kirche ziehen, als er gegenwärtig schon besteht. In zwei Lager gespalten ist die Kirche eigentlich schon seit 1975, als der Antrag auf die Ordination von Frauen zum ersten Mal in die Synode eingebracht wurde. Er entfachte einen flammenden Streit um die Interpretation der Bibel und die klerikale Stellung der Frau, aus dem zwei Bewegungen hervorgingen: Das „Movement for the Ordination of Women“ (MOW), das sich vehement für die Akzeptanz von Priesterinnen einsetzt, und seine Gegenbewegung „Movement Against the Ordination of Women“ (MAOW) sind mit jeweils 7.000 Mitgliedern, darunter auch Frauen, etwa gleich stark. Obgleich mehr als die Hälfte aller anglikanischen Gemeinden in der ganzen Welt Priesterinnen akzeptieren, hat die Auseinandersetzung landesweit inzwischen einen Punkt erreicht, an dem sie einer einzigen Hetz- und Drohkampagne gleichkommt. Eine der führenden Sprecherinnen für die Ordination von Frauen, die Diakonissin Nerissa Jones, erhält seit dem vergangenen Wochenende sogar regelmäßig Morddrohungen. An die 1.000 Geistliche erklärten bereits, ihr Amt niederzulegen, sollte die Synode zugunsten der Frauen abstimmen. „Ohne Zweifel würde das Abstimmungsergebnis einen ernsthaften Blutsturz nach sich ziehen“, verheißt der Erzdiakon von Leicester, David Silk, der die Priesterinnen-Gegner anführt. Er spricht von rund 60 Millionen Pfund Kompensationskosten. UnterstützerInnen der Ordination von Frauen werten sie jedoch als Erpressung. Reverent David Driscoll von der Bewegung „Priester für die Frauen-Ordination“ relativierte die Ankündigung: „Wir hätten dann auch nicht weniger Priester in unserer Kirche, denn dieselbe Anzahl von Frauen – und mehr – wartet bereits vor unseren Türen, um die Plätze derer zu besetzen, die uns womöglich verlassen würden“, erklärte er.

MOW-Mitglieder hingegen haben im Falle der Ablehnung des Antrags mit ihrem Austritt aus der Kirche gedroht, um ihre Solidarität mit den Diakonissen zu bekunden, die nicht ins Priesteramt zugelassen werden. Hilflos stehen die beiden Erzbischöfe von Canterbury und York, Cary und Habgood, dem Gebaren ihrer Schäfchen gegenüber. Sie mahnten ihre Synode zur Versöhnung an, machten aber auch kein Hehl aus ihrem Standpunkt: Die Ordination von Frauen ist sowohl unvermeidlich als auch richtig, erklärte Erzbischof Carey.

Die anglikanische Kirche in Britannien gewährt Frauen bislang höchstens das Amt der Diakonissen. Oberhaupt der Staatskirche ist allerdings ebenfalls eine Frau – nämlich Königin ElizabethII. Unter ihr stehen die Erzbischöfe von Canterbury und York sowie 41 Bischöfe, die zum Großteil auch dem Oberhaus angehören. Sollte der Antrag durchkommen, müßte er zunächst in beiden Parlamentshäusern im Juni nächsten Jahres aufgegriffen werden. Dann muß noch die Queen ihre Zustimmung geben. Antje Passenheim