Die „Reinigungskraft“ der US-Frauen

Ihren Wahlerfolg verdanken die amerikanischen Politikerinnen einem Sympathiebonus: Sie gelten als Allheilmittel gegen Amtsmißbrauch/ Nur Herrenklos im US-Senat  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Statistisch betrachtet, ist es ein Jahr der Rekorde: 117 Frauen, so viele wie nie zuvor, haben in diesem Wahljahr für einen Sitz im US- Kongreß oder Repräsentantenhaus kandidiert. Statt drei werden dem nächsten Senat sieben Frauen angehören; im Repräsentantenhaus erhöht sich die Zahl von 28 auf 47.

Nüchtern betrachtet, ist das ein sehr bescheidener Schritt: Im Senat sitzen immer noch 93 fast ausschließlich weiße Männer, im Repräsentantenhaus stellen Frauen unter den 435 Abgeordneten lediglich neun Prozent.

„Was gibt es nun eigentlich zu feiern?“ fragte die Publizistin Barbara Ehrenreich in der Wahlausgabe des Time Magazine, wo doch im US-Senat nicht einmal eine Damentoilette existiert. Im Obersten Gerichtshof übrigens auch nicht. Da müssen die Anwältinnen einen längeren Spaziergang durch das Gebäude zurücklegen, bevor sie eine Toilette finden. Das sind Probleme, die mit ein wenig gutem Willen seitens der Parlamentsverwaltung, etwas mehr Druck seitens der Frauen und ein paar guten Klempnern schnell gelöst werden können.

Zu feiern ist weniger die Zahl der Frauen als der politische Kontext: Es gibt eine demokratische Mehrheit im Kongreß und einen Demokraten im Weißen Haus, dadurch wird die Politik des Rückschritts der langen Jahre der Reagan/Bush-Administration erst einmal gestoppt. Egal, ob es um das Recht auf Abtreibung geht, den Schutz von Frauen am Arbeitsplatz oder die Ernennung der nächsten Kandidaten für den Obersten Gerichtshof.

Anlaß zu Mißtrauen gibt das politische Klima, das Frauen zur Wahl verholfen hat. Nachdem der letzte US-Kongreß eine denkbar schlechte Legislaturperiode mit diversen Skandalen hinter sich gebracht hat, wurden vor allem die politischen Neulinge unter den Frauen mit dem Sympathiebonus der „Reinigungskraft“ betrachtet– aus welchen Gründen auch immer gegen Korruption, Amtsmißbrauch und Arroganz der Macht gefeit.

Dieses Image wurde allerdings schon im Wahlkampf bei Kandidatinnen wie Barbara Boxer oder Carol Moseley Braun, der ersten schwarzen Senatorin, angekratzt. Beide hatten sich wegen finanzieller Skandale vor der Öffentlichkeit zu verantworten und verloren gegen Ende der Wahlkampagne noch einmal gehörig an Stimmen.

Dagegen spielte kaum eine Rolle, was üblicherweise die Debatte in der Frauenpolitik beherrscht: Diskriminierung am Arbeitsplatz, sexuelle Gewalt – selbst die Frage des Rechts auf Abtreibung war keinem der Kandidaten in der Endphase des Wahlkampfs noch eine Bemerkung wert.

Statt dessen erhitzte im (Wahl-) Jahr der Frau nichts so sehr die Gemüter der Amerikaner wie die Frage, welcher Präsidentschaftskandidat die geeignete Gattin hat. Was immer die Rechte in- und außerhalb der republikanischen Partei an Horrorvisionen mit dem Aufstieg von Frauen in politische Ämter befürchtete, Hillary Clinton schien es zu verkörpern.

Hillarys Image-Wandel im Wahlkampf

Ihr Image als Karrierefrau ließ Demoskopen mit der Frage ausschwärmen, ob sich die Anwältin nach Ansicht der Amerikaner genügend um ihre Tochter kümmert; ihr Eintreten für das Recht auf Abtreibung rückte sie in der Rhetorik erzreaktionärer Talk-Show-Master in den Kreis der „feminazis“; ihre juristischen Fachaufsätze, die sich kritisch mit Machtverhältnissen – wie etwa in der Ehe – auseinandersetzen, waren für Fernsehprediger wie Pat Robertson sicheres Indiz für die beginnende „feministische Verschwörung“.

In der Beliebtheitsskala rangierte Hillary Clinton lange Zeit weit hinter Barbara Bush, mit 67 Jahren die Inkarnation des amerikanischen grandmomism, die ihre Collegeausbildung aufgegeben und von da an ihr ganzes Leben der Karriere ihres Mannes untergeordnet hatte.

Also mußte sich Hillary Clinton im Verlauf des Wahlkampfs einem Imagewandel unterwerfen: Aus der „Winnie Mandela der amerikanischen Politik“, die erstens mehr verdient als ihr Mann und zweitens auch besser reden kann, wurde mit Hilfe eines neuen Friseurs und hausfraulicher Rhetorik eine potentielle First Lady geformt.

Am Ende sprach Hillary Clinton in Talk-Shows übers Keksebacken und die Probleme der Kinder in diesem Land; am Ende war sie die Frau, die während des Wahlkampfs darauf achtete, daß Bill genug Schlaf bekam. Am Ende war sie die Frau, die ihm vor den TV-Debatten heiße Zitrone mit Honig einflößte, damit die Stimmbänder durchhielten.

Setzt man sie in Kontrast zur Familie Bush, dann repräsentieren Bill und Hillary Clinton – und mit Abstrichen auch Al und Tipper Gore – tatsächlich die Partnerschaftsehe. Und wenn diese Wahl unter anderem ein Referendum über Amerikas widersprüchliche Gefühle über Feminismus, Familie und Kindererziehung war, wie die US-Journalistin Marjorie Williams schreibt, dann hat das Partnermodell eindeutig gewonnen.

Es ist bloß keines. Denn am Ende konnte Bill Clinton für sich nicht nur verbuchen, eine moderne, fortschrittliche, eigenständige Frau an seiner Seite zu haben, sondern auch eine, die letztendlich diese Eigenständigkeit für ihn aufgibt.

Da mag er sich an die Warnung Richard Nixons für politische Kandidaten erinnert haben: „Wenn die Ehefrau zu stark und intelligent rüberkommt, dann sieht er aus wie ein Schwächling.“

In einer wahren Partnerschaftsehe stellt sich Marjorie Williams den Ablauf etwas anders vor: „Da sagt sie: ,Ist ja toll, Schatz, daß du die Vorwahlen gewonnen hast. Ich komme auch zum Parteitag, um dich zu feiern. Aber den Rest machst du alleine.‘“