■ Cash & Crash
: Gatt? – Reine Glaubenssache

Glaubt man den Devisen- und Aktienhändlern, wird es zu einem ernstgemeinten Handelskrieg zwischen den USA und der EG nicht kommen.

Die Strafzölle, mit denen die US-Regierung europäische Weine belegen will, machten an den Aktien- und Geldbörsen keinen Eindruck.

Vermutlich nicht bloß deshalb, weil den US-Händlern persönlich auch ein verdreifachter Weinpreis egal sein kann. Der tiefere Grund ihrer momentanen Ignoranz des Handelskriegs dürfte ihr orthodoxer Glaube an den Marktmechanismus sein, als dessen Triebfeder ihnen der Eigennutz gilt.

Und wo bitte, fragt sich der intelligente Spekulant, soll schon der Nutzen eines Handelskriegs zwischen Industrie-Handelsblöcken liegen, dessen Ursache ein paar Flaschen Salatöl sind? Die Börsianerin von Welt läßt daher die Agrarlobbyisten ihr Süppchen weiterkochen und glaubt zum Wochenauftakt zunächst einmal an das Gute: den freundlichen Aufwärtstrend, der den Deutschen Aktienindex gestern auf 1.519,06 Punkte brachte, nachdem am Montag der DAX bereits die Psycho-Hürde von 1.500 Indexpunkten genommen hatte.

Fundamentalanalysen waren dabei weder am Aktien- noch am Devisenmarkt gefragt. Daß in Paris und London die Stimmung schlecht war, der japanische Finanzmarkt nach unten tendierte – in den USA und in Deutschland befand man: „Nichts ist unmöglich“, und richtete den Blick im Glauben fest auf die freundlichen Trends: gute Umsätze am Rentenmarkt, gefestigter US-Dollar, geringe Neigung der Kollegen in Frankfurt, ihre Aktienpakete zu verkaufen, sowie die eifrigen Jäger nach unterbewerteten Aktien-Schnäppchen in New-York.

Daß nun der Gatt-Direktor als Vermittler im transatlantischen Handelsstreit auftreten wird, dürfte zusätzlich das Marktinteresse auf Zinsspekulationen und Konjunkturerwartungen bündeln – außer, nichts ist unmöglich, die Marktteilnehmer glauben mit Verzögerung doch noch an die Sprengkraft des Salatöls und eine herannahende Wirtschaftskrise. Letztere „kennt“ – darauf macht uns die Evangelische Akademie Tutzing dankenswerterweise aufmerksam – „auch schon die Bibel“; weshalb ihr neuestes Seminar zur Hlg. Schrift 1992 „Christliche Askese und Akkumulation des Geldes“ thematisiert.

Wundern Sie sich also nicht, wenn Ihnen auf dem Börsenparkett demnächst manch einer mit einem dicken schwarzen Buch unterm Arm begegnet. Donata Riedel