Karnevalistische Ausschreitungen

■ Kölner Straßenfest gegen Rassismus und Ausländerhaß

Köln (taz) – „Willy, Willy“, riefen die Demonstranten. „Ja, er ist es wirklich“, versicherte einer dem anderen, während auf der Bühne Willy Millowitsch anhob, einen Text von Carl Zuckmayer zu lesen. „Ich bin e kölsche Jong“, sang der 83jährige Schauspieler schließlich, und das Publikum raste. Die Zuschauer hakten sich unter, stimmten ein: „Echte Fründe stonn zusamme...“

Mit einem Straßenfest demonstrierten am Montag abend 100.000 Kölner gegen Rassismus und Ausländerhaß. „Arsch huh, Zäng ussenander!“ (Arsch hoch, Zähne auseinander“), unter diesem Motto hatten Kölner Rockbands zu dem Open-air-Konzert in der Kölner Südstadt eingeladen. BAP, die Bläck Fööss, The Piano Has Been Drinking, Willy Millowitsch und andere wechselten sich auf der Bühne auf dem Chlodwigsplatz ab, während auf den Straßen ringsum kein Durchkommen mehr war.

Mit höchstens 50.000 Teilnehmern hatten die Veranstalter gerechnet. In nur 18 Tagen hatten sie das Konzert vorbereitet. Die Stadt Köln habe mit Polizei, Verkehrsbetrieben und Feuerwehr „voll mitgezogen“, sonst wäre dieser Kraftakt nicht geglückt, sagte Musikverleger Karl-Heinz Pütz gestern. Die Kölner Presse jubelte: anders als am Vortag in Berlin blieb in Köln alles friedlich.

Statt dessen feierten viele Besucher in den Kneipen rings um den Platz eine Art vorgezogenen Rosenmontag. Selig schunkelnd, zu Polonaisen aufgereiht, schmetterten viele im Chor rheinische Trinklieder: „Unser Veedel“, „Trink doch einen mit“, „Goodbye Johnny“ und „Always look at the bright side of life“ – das war öfter zu hören als jede politische Parole. Willy selbst, so hieß es, habe auf der Bühne mit den Worten „Kölle alaaf“ das Zeichen zu den karnevalistischen Ausschreitungen gegeben.

Elke Heidenreichs Kommentar im Kölner Express: „Im Grunde sind doch alle Kölner Ausländer.“ Hans-Martin Tillack