Stahl schwimmt mit der Super-Ente

■ „Super“-Zeuge der Bundesanwaltschaft zieht Aussagen zurück/ Wallraff war nie Stasi-Spitzel

Berlin (taz) – Mit einem kompletten Rückzieher des angeblichen Führungsoffiziers von Günter Wallraff bei der Stasi, Peter Eberlein, endete gestern ein Verfahren vor dem Berliner Landgericht. Statt eine Super-Story zu bestätigen, dementierte Eberlein, von Super als Hauptzeuge genannt, die gesamte Geschichte. Die Story sei von dem Super-Reporter Thomas Reinecke praktisch erfunden worden. Er sei dann mit dem Versprechen, einen Bombenjob als Journalist bei Super zu bekommen, dazu gebracht worden, eine Aussage zu verfassen, daß Günter Wallraff unter dem Decknamen „Walküre“ als IM für die Stasi gearbeitet habe. Das habe er dann später einem Vertreter der Bundesanwaltschaft erzählt, der ihn im Rahmen der Ermittlungen gegen Markus Wolf zu Wallraff vernommen habe. Auch diese Aussage sei komplett falsch gewesen.

Am 12. Februar dieses Jahres hatte das mittlerweile eingegangene Boulevardblatt Super aus dem Hause Burda in großer Aufmachung behauptet, der Schriftsteller Günter Wallraff habe über zehn Jahre für die Stasi gearbeitet – unter anderem soll er über die SPD, die Linke allgemein und über seinen Einsatz bei Bild nach Ostberlin berichtet haben. Mittlerweile haben außer seinem angeblichen Führungsoffizier Peter Eberlein auch zwei weitere ehemalige Stasi-Offiziere vor Gericht den Behauptungen von Super widersprochen.

Der Vorgang „Walküre“ so ein früherer Vorgesetzter von Eberlein, hat zwar existiert, war aber nie auf eine Person bezogen, sondern faßte Maßnahmen, die gegen die polnische Gewerkschaft „Solidarität“ durchgeführt worden waren, zusammen. Eberlein, der zu einem ersten Termin vor dem Landgericht nicht erschienen war, weil die Burda-Anwälte ihn davon abgehalten hatten, machte nun gestern klar: alle seine angeblichen Aussagen seien pure Erfindungen gewesen, seine Unterschrift unter eine entsprechende eidesstattliche Erklärung gefälscht.

Damit kommt nun die Bundesanwaltschaft ins Spiel. Nach Aussage von Eberlein informierte der Super-Journalist Reinecke die Bundesanwaltschaft, die umgehend einen Vertreter in Bewegung setzte, der dann Eberlein in dessen Wohnung vernahm. Zuvor hatte Reinecke Eberlein gedroht, ja bei der Super-Version zu bleiben, andernfalls er eins „übergezogen“ bekäme. Reinecke rühmte sich, persönlich mit Bundesanwalt Lampe bekannt zu sein, was den Ex-Stasi-Mann offenbar ziemlich einschüchterte. Trotz offenkundiger Widersprüche waren die obersten deutschen Ankläger über ihren Zeugen Eberlein so begeistert, daß sie seine Phantasien ungeprüft in der Anklage gegen Markus Wolf übernahmen. Unter anderem hatte Eberlein behauptet, Wallraff habe über seinen Einsatz bei Bild berichtet – gleichzeitig soll der Kontakt zur Stasi mit der Ausbürgerung Wolf Biermanns beendet worden sein.

Biermann wurde im November 1976 exiliert, Wallraffs Recherche bei Bild begann im März 1977.

Eberleins Märchen gelangten auf noch ungeklärtem Weg an Bild, die nun ebenfalls behauptete, Wallraff sei Stasi-Spitzel gewesen. Kein Wunder, daß Wallraff nach dem gestrigen Prozeß den Eindruck hatte, er sei Opfer einer gezielten Kampagne von Staatsanwälten und großen rechten Verlagen. Jürgen Gottschlich