Verknitterte Tollitäten

■ taz von Karnevalsauftakt bitter enttäuscht / Tatendurstige Tanzmariechen

bitter

enttäuscht / Tatendurstige Tanzmariechen

Mit einer kleinen Panne begann sie, die lang erwartete Kür des Hamburger Karnevalsprinzenpaares 1992 gestern morgen in einem Alstertaler Hotel mit der Straßennummer 111, die gleich nach der 29 kam. Das Orgelspiel setzt ein wenig zu früh ein – es ist noch gar nicht elf Uhr elf. Die Folgen sind fatal: Die erste Mitklatsch-Orgie wird abgefeiert, Prinz, Prinzessin, Tanzmariechen und Prinzengarde platzen voller Taten- und Marschierdrang in den kleinen Raum hinein. Platz da, scheint alles zu sein, was sie im Kopf haben.

Doch Kurt-Adolf Zakrzewicz, „Uronkel“ und erster Vorsitzender der Carneval-Gesellschaft Klimperkasten, stellt die Ordnung flugs wieder her. Schließlich muß die neue Karnevals-Session erst einmal offiziell eröffnet werden. Und erst nachdem die schnapszahlige Stunde geschlagen hat, darf sich die spaßwütige Meute dann auch gen Regenten-Tafel bewegen.

Doch was sehen wir da, das soll unser diesjähriger närrischer Regent Klaus I. sein? Ganz steif ist seine Rechte beim Winken, das Gesicht nicht so locker, wie wir es uns erhofft hatten. Und die Prinzessin, Ihre Lieblichkeit Christel I.? Sehr sicher scheint sie nicht, das Lächeln wirkt verknittert. Nein, was für eine Enttäuschung. So sehen also Tollitäten aus.

Das ist Wahlbetrug, vermuten wir, die Akkordeon-Klänge von Margot Schoeneberndt im Ohr – sie wissen schon, die mit den heißen Alben „Stimmungsknüller“ und „Lieder von der Waterkant“. Bis wir der Sache auf der Pressekonferenz nachgehen können, müssen wir uns aber noch ein wenig gedulden. „Liebe Freunde, wir haben die Freude, die Ehre und das Glück, dieses Jahr die Eheleute Klaus und

1Christel Barkowsky als Prinzenpaar zu haben“, verkündet einstweilen der Uronkel. Ja, ja – aber wie haben die das geschafft? Haben sie vielleicht bei den Ausscheidungswettkämpfen geschummelt? Hatten sie beim Karamel-Weitwurf etwa präparierte Bonbons und somit die höchsten Weiten und damit wie-

1derum den Titel in der Tasche? Spielte Geld eine Rolle, immerhin ist Klausi Besitzer einer eigenen Gebäudereinigungsfirma? Ist ein solcher Job nicht vielleicht sowieso unvereinbar mit den Aufgaben eines Prinzen? Wir konnten es leider nicht in Erfahrung bringen. Karnevals-Filz allüberall. Kurt-Adolf

1Zakrzewicz wollte nur soviel sagen: „Ja, also die Prinzenpaare werden sozusagen unter der Hand ausgewählt. Zwei andere Paare haben wir auf die nächsten Jahre vertröstet.“ Wir finden diese Zustände untragbar und fordern hiermit die Bildung einer Enquete-Komission Karnevals-Reform. Gregor Gerlach