Seltene Einmütigkeit gegen einen Rep-Stadtrat

■ In der BVV Tiergarten wollen CDU, SPD und AL den Stadtrat für Wirtschaft, Michael Freese, abwählen/ Anlaß sind dessen Gebietsforderungen gegenüber Polen

Tiergarten. Die Berliner Spitzenpolitiker der rechtsextremen „Republikaner“ waren höchstpersönlich erschienen: Mit besorgter Miene stand Landesvorsitzender Werner Müller im Foyer vor dem BVV-Sitzungssaal in Tiergarten und diskutierte mit Hermann Voss, stellvertretender Bundesvorsitzender der Reps. Nach der Sondersitzung der BVV am Dienstag war Müllers Gesicht noch ernster als sonst. Denn CDU, SPD und AL hatten gerade in seltener Einmütigkeit beantragt, auf der nächsten BVV-Sitzung am 26. November den Rep-Stadtrat für Wirtschaft, Michael Freese, abzuwählen. Hintergrund waren dessen Äußerungen auf einer BVV-Sitzung am 22. Oktober. Freese hatte erklärt, daß die Forderung nach einem Deutschland in den Grenzen von 1937 „nicht vorschnell aufgegeben werden sollte“. Wenn alte Grenzen „nicht wiederhergestellt werden können“, müsse überlegt werden, ob die Vertriebenen nicht „Eigentumsrechte“ in Polen erhalten könnten. Am Dienstag abend verteidigte Freese seinen Standpunkt. Nur mit seinen Äußerungen zu den Judenpogromen von 1938 fühlte er sich mißverstanden. Die „Ereignisse“ sollten „in mahnender Erinnerung bleiben“.

Überraschend deutlich wies CDU-Fraktionsvorsitzender Kurt Lauke Freeses Bekenntnis zurück. Die Grenz- und Gebietsdebatte gehöre nach der Vereinigung und dem Vertrag mit Polen „uneingeschränkt der Vergangenheit an“. Die CDU bekenne sich zur Verantwortung aus der NS-Zeit und wende sich gegen „jede Art von Geschichtsklitterung“. Für die AL, die den Abwahlantrag auf den Weg gebracht hatte, bedankte sich Christian Ströbele für die „bemerkenswerte Offenheit“, mit der Freese deutlich gemacht habe, „was er und seine Parteifreunde politisch durchsetzen wollen“. Territoriale Forderungen seien ein „aggressiver Akt per se“, und daher sei Freese im Bezirksamt untragbar. Als schließlich die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gisela von der Aue das Wort ergriff und sich für ein friedliches Zusammenleben von Deutschen und Ausländern stark machte, wurde es auf der mehrheitlich von Rep-Anhängern besetzten Besuchertribüne unruhig. Was den Rep-Bezirksverordneten Frank Seifert veranlaßte, beschwichtigende Handzeichen zu machen. Nur Rosa Hoffmann von der SPD zeigte sich mit dem Verhalten ihrer Parteifreunde unzufrieden. Eine Abwahl, so ihre Argumentation, könne den Reps „nur nützen“. Bei Freeses Wahl zum Stadtrat habe doch jeder gewußt, daß er die BVV auch als politische Bühne nutzen würde. Hoffmann: „In wesentlichen Teilen stehen die Reps nicht im Gegensatz zur herrschenden Politik, sondern kritisieren nur, daß sie nicht gründlicher durchgeführt wird.“ Severin Weiland