■ Das Portrait
: T. Mazowiecki

Es war ein seltsames Bild, das per Fernsehen in die polnischen Wohnzimmer flatterte. Tadeusz Mazowiecki stand ergeben und müde auf einer Brücke in Bosnien. Jenseits des Flusses war serbisch besetztes Gebiet. Ein UN- Begleiter zog eine kugelsichere Weste aus einem Jeep, und Mazowiecki schlüpfte hinein. Der martialische Anblick stand in krassem Gegensatz zu dem Image des 65jährigen Rechtswissenschaftlers. Die Weste schien ihm auch nicht so recht zu passen.

Ein Kämpfer war Mazowiecki nie, auch wenn er manchmal verbissen an seiner Überzeugung festhält. Gerade sein Trotz hindert ihn daran, seine Berichte einseitig abzufassen. Von daher hat die UNO den richtigen Beauftragten für Menschenrechte in Bosnien: Tadeusz Mazowiecki hat sich in seiner Überzeugung nie erschüttern lassen, auch dann nicht, als ihn das seinen Posten als Ministerpräsident kostete.

Das war 1991, als er sich überreden ließ, gegen Lech Walesa in den Präsidentschaftswahlkampf zu ziehen. Walesa, verbittert darüber, daß ihn Regierung und Parlament auf den Posten eines Gewerkschaftsbosses abzuschieben gedachten, hatte seine Kampagne gegen die Regierung eröffnet. Mazowiecki hielt dem Druck aus Danzig stand. Als Walesa gewann, trat er sofort zurück.

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Foto: Reuter

Seither ist der ehemalige Redakteur katholischer und oppositioneller Periodika seltener auf dem Bildschirm zu sehen gewesen, doch seiner Beliebtheit hat das keinen Abbruch getan. Nach wie vor gilt er als gemäßigter, verläßlicher Politiker, der zwar aus seinen religiösen Überzeugungen keinen Hehl macht, sie aber nicht zum Werkzeug für fundamentalistische Kampagnen macht. Schließlich ist Mazowiecki auch Chef der Demokratischen Union, Polens größter Partei, nimmt man die letzten Wahlen als Maßstab. Die Union wiederum gilt in Polen als linksliberal bis kryptokommunistisch, je nachdem, wen man fragt. Mazowiecki hat nicht nur seine Partei, sondern auch deren Dauerbündnis mit den Liberalen und der Wirtschaftspartei zusammengehalten, ein Bündnis, das mit über hundert Abgeordneten die größte Fraktion im Sejm stellt. Doch kurz bevor er nach Ex-Jugoslawien reiste, verabschiedete sich der konservative Flügel der Union aus der Partei. Mazowieckis Ansehen ist durch seinen Auftrag zwar gestiegen, aber zum Schaden seiner Partei. Klaus Bachmann