Lisa Müller bekommt keine Chance

Drei Bundesländer wollen das Duale System in Kürze absegnen/ Joghurtbecher sollen nicht zurück in den Laden/ An sich wird noch verhandelt  ■ Von H.-J.Tenhagen

Berlin (taz) – Die Einzelhändler von Saarlouis können aufatmen. Ihre regelmäßigen Kunden Lisa und Bernd Müller werden im kommenden Jahr nicht in ihre Läden kommen dürfen, um dort leere Joghurtbecher und Chipstüten wieder abzugeben. Der saarländische Umweltminister Jo Leinen (SPD) hat gestern angekündigt, das Duale System werde in seinem Bundesland funktionieren. Er werde den Ladeninhabern die Freistellung von der Rücknahmepflicht für Verpackungsmüll erteilen, denn — so sein Sprecher — „wir kriegen nichts Besseres“.

Sechs andere Bundesländer kritisierten diese Ankündigung gestern als voreilig. Sie sind noch nicht überzeugt, daß das Duale System ab 1993 wirklich alle Kunststoffe so einsammelt und wiederverwerten kann, wie es die Verpackungsverordnung vorschreibt. Deswegen hatte die Bund-Länder- Arbeitsgemeinschaft Abfall die Manager des DSD und den Gutachter TÜV Rheinland für Freitag zum Rapport nach Bonn bestellt. Thema: Verbesserungen des DSD- Angebots für Kunststoffverpackungen. Vor allem in den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist man nun sauer über die einsamen Entschlüsse der MinisterInnen Leinen und Petra Uhlmann (CDU) aus Mecklenburg- Vorpommern. Die beiden MinisterInnen und Lutz Wicke, Umweltstaatssekretär des Berliner schwarz-roten Senats, sonnten sich gestern im Scheinwerferlicht auf einer eilig von Bundesumweltminister Klaus Töpfer einberufenen Show-Konferenz. Und Töpfer freute sich und verkündete den Durchbruch des Dualen Systems.

In der vergangenen Woche noch waren sich die Fachbeamten des Bundes und aller Länder einig gewesen, daß das Entsorgungskonzept des Dualen Systems „insbesondere in Sachen Kunststoffrecycling bislang nicht ausreicht“, so Sibylle Hepting, die Sprecherin des baden-württembergischen Umweltministeriums. „Da war von dieser Show in Bonn nicht die Rede“, erinnert sich ein anderer Insider. Statt dessen sollte auf der Sitzung am Freitag in Bonn nachgebessert werden. Und abschließend hätte erst die Umweltministerkonferenz Ende der kommenden Woche über die Freistellungsanträge des Dualen Systems in den Bundesländern befinden sollen, so Hepting.

Neben der Frage, ob die 1,2 Millionen Tonnen Plastikabfall denn künftig wirklich vernünftig stofflich verwertet werden können, plagt die Umweltbeamten und die Manager des DSD derzeit noch eine andere Frage: Was passiert, wenn einzelne Städte, Kommunen oder Landkreise nicht mitziehen wollen? Würde Lisa Müller zum Beispiel in Plauen in Sachsen wohnen, könnte sie nach dem derzeitigen Stand bald Montagmorgens im örtlichen Konsum mit gebrauchten Joghurtbechern, Tunfischdosen und Käsehüllen auftauchen. Plauen ist eine der sächsischen Kommunen, die bislang noch keinen Vertrag mit dem Dualen System unterschrieben haben. In Bayern haben sich sechs Kommunen sogar zu einem regelrechten Boykott entschlossen. Weil das DSD die Verpackungsflut nicht einschränke, sondern für Verbraucher nur teurer mache, will man mit dem DSD zum Beispiel in München und Nürnberg nicht zusammenarbeiten.

Für solche Fälle hatte die Bund- Länder-Arbeitsgemeinschaft ein Papier erstellt. Auch Kommunen, die boykottieren, können die Freistellung ihrer Einzelhändler nicht verhindern. Das DSD muß dort aber ein eigenes Sammelsystem für Verpackungen auch ohne die Kommune aufbauen. Städte und Kreise, die verhandelten, sich aber mit dem DSD nicht einigen könnten, sind die größte Gefahr für das DSD. Sind die Anliegen der Kommune berechtigt, ist die Freistellung in Gefahr, hieß es gestern in Stuttgart.