Willy Brandt ein Schwein? Schulstunde im Landtag

■ Disziplinarverfahren gegen Lehrerin eingeleitet

Eine offenbar einseitig negative Darstellung des verstorbenen Altbundeskanzlers und SPD-Ehrenvorsitzenden Willy Brandt durch eine Lehrerin im Rahmen einer Schulstunde beschäftigte gestern den Landtag in Hannover. Anlaß dafür war eine Kleine Anfrage der SPD, in der die Regierung nach ihrer Auffassung zu den Aussagen von Schülerprotokollen gefragt worden war. In den Unterrichtsprotokollen hatte eine siebte Klasse der Realschule Sande (Regierungsbezirk Weser-Ems) als Ergebnis einer Sozialkunde-Unterrichtsstunde das Leben Willy Brandts nur in negativem Licht dargestellt.

Kultusminister Rolf Wernstedt (SPD) erklärte vor dem Plenum, im vorliegenden Fall habe die Lehrerin offensichtlich nur negative Anmerkungen über Willy Brandt gemacht. Die Quellen, die sie dafür benutzt habe, seien bisher noch nicht bekannt. Diese Art des Unterrichts scheine ein klarer Versuch von Schüler-Indoktrination zu sein.

Daß dieser Versuch zumindest teilweise erfolgreich war, belegten die Schülerprotokolle, nach denen die Lehrerin unter anderem gesagt haben sollte, Willy Brandt habe keinen Charakter, er habe die Uniform der Alliierten getragen und sei ein Schwein, weil er nach 33 Ehejahren seine Frau verlassen habe.

Der Minister wies darauf hin, daß es zu begrüßen sei, wenn im Sozialkundeunterricht aktuelle Ereignisse behandelt würden. Dabei sei es auch erlaubt, auf die Schwächen des großen Menschen Willy Brandt einzugehen. Heiligsprechungen taugten nicht für die politische Bildung. Allerdings müßten alle Seiten einer Persönlichkeit beleuchtet werden, damit sich die Schüler eine umfassende Meinung bilden könnten.

Abschließend könne er den Vorfall jedoch nicht beurteilen, weil die Bezirksregierung Weser- Ems disziplinarische Vorermittlungen gegen die Lehrerin eingeleitet habe, die noch nicht abgeschlossen seien. Er könne jedoch versichern, daß vergleichbare Fälle von anderen Schulen nicht bekannt seien. Auch sei er sicher, daß die niedersächsischen Lehrer fest auf dem Boden der Demokratie stünden. dpa