Wieviel Fläche braucht die Wirtschaft?

■ Bremen ersteht Klöckner-Fläche für Industriepark / Streit um Gewerbe-Flächenbedarf

Mit dem Verkauf einiger „echter Filetstücke“ könne man nun „die Kasse aufbessern“, freute sich gestern Klöckner-Vorstandsmitglied Klaus Hilker. Der Filetkäufer ist das Land Bremen — rund 45 Millionen Mark werden als Kaufpreis für die 95,5 Hektar große Klöckner-Fläche gehandelt, auf der der neue „Industriepark West“ entstehen soll.

Noch grünt es auf dem Fasanen- Jagdgelände hinter der Klöckner- Hütte, in ein paar Jahren sollen hier stahlverarbeitende Betriebe, High-Tech-Firmen und andere ihren Platz finden. „Kaum wurden erste Gerüchte über den Kauf laut, gab es auch schon Interessenten“, sagte Wirtschaftssenator Claus Jäger. Vorgestern hatte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen Marieluise Beck noch gefordert, die Unterzeichnung des Kaufvertrages davon abhängig zu machen, daß das Geld für den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Bremer Hütte abhängig gemacht wird. Der Vertrag ist allerdings seit dem 30. September unterschrieben — und Bauchschmerzen hat Jäger im Nachhinein nicht: „Ich fände es völlig unfair, einen Verhandlungspartner in Schwierigkeiten in den Knebel zu nehmen.“ In Spekulationen einzutreten sei das falsche Signal. Aber: „Natürlich ist es besser, wenn wir ein florierendes Stahlwerk neben der Fläche haben!“

Erschlossen werden soll der erste Teil des Geländes von 1995 bis 1997, eine Option für den Kauf weiterer 80 Hektar gibt es ebenfalls. Eine optimale verkehrstechnische Anbindung des Geländes — ein Güterbahnhof ist vorhanden, die in Bau befindliche A 281 wird direkt hierherführen und die Hafenrandstraße bis dahin ausgebaut sein — soll Firmen nach Bremen locken: „Besser sieht das nur bei der Hemelinger Marsch aus“, witzelte Jäger — nur so zur Auflockerung.

Über den genauen Preis wollten weder Klöckner noch Jäger etwas verlauten lassen — aber überhöht sei er auf keinen Fall: „In Bremen sind die Gewerbeflächen zu billig“, so der Wirtschaftssenator. „Wir wollen, daß die Preise höherkommen — für die Wirtschaft ist das insgesamt besser.“

Der Kauf sei im Interesse der Stadt getätigt worden, so Jäger, der flugs einen Flächenbedarf von rund 45 Hektar Gewerbefläche pro Jahr ausrechnete. „Mit diesem Gelände können wir zwei Jahre lang auskommen.“

Doch um den Gewerbeflächenbedarf entspinnt sich ein Streit, in dessen Mittelpunkt die Hemelinger Marsch steht: Bis Ende des Jahres will sich der Senat auf ein Gewerbeflächen-Erschließungsprogramm GEP 2003 einigen. Ein Gutachten des Dortmunder Institutes „Planquadrat“, von der „Kommission Bremen 2000“ in Auftrag gegeben, besagt nun, daß 20 Hektar Flächenvorrat pro Jahr ausreichen. Sollte jedoch die vom Wirtschaftsressort favorisierte Zahl von 40-50 Hektar als Bedarf anerkannt werden, wird die Hemelinger Marsch nicht außen vor bleiben können.

Über die von Jäger zugrunde gelegten tatsächlichen Flächenverkäufe kursieren aber unterschiedliche Zahlen. Und: „Wenn eine Fläche verkauft ist, heißt das noch lange nicht, daß sie auch genutzt wird“, sagt Siegfried Kotthoff, Referent für Flächenplanung im Umweltressort. Dafür gebe es in Bremen mehrere Beispiele. Außerdem: 95 Prozent der Betriebe, die auf der grünen Wiese siedelten, seien Betriebe aus der Stadt, die sich erweitern wollten. „Die Gewerbeflächenpolitik muß sich verändern, und dabei müssen wir nach innen gucken, Stichwort Häfen.“ Ob der wirkliche Bedarf vom Senat nun bei 40 oder bei 20 Hektar angelegt wird, darüber „muß man sicher noch heftig diskutieren“, so Kotthoff.

Susanne Kaiser