Das triste Ehepaar aus dem tristen England Von Ralf Sotscheck

„Es war neun Uhr morgens in der Woche vor Weihnachten“, berichtete der englische Daily Mirror vorgestern. „Karl lag auf seinem Bett und war schlecht drauf.“ Er hatte gerade erfahren, daß ihn seine Frau mit einem Autohändler betrog. „Es gab nur eine Person, die ihn wieder aufrichten konnte – seine langjährige Vertraute, die Soldatenfrau Camilla. Das intime Gespräch dauerte eine Stunde.“ Nach dem Telefonsex versuchte man verzweifelt, ein Treffen zu verabreden. „Aber es gab ein Problem.“ Der Soldat war zwar auf Reisen, aber Camillas verdammte Kinder hatten Ferien.

Die Einleitung eines Groschenromans? Genau. Aber einer, der in einem Dutzend Variationen von einem Millionenpublikum gelesen wird. Die Sun, die tief unter der Gürtellinie angesiedelt ist, überläßt nie irgend etwas der Phantasie der LeserInnen. Während der Mirror beim Wort „aufrichten“ eher an die Gemütsverfassung dachte, verlegte die Sun gestern das Paar knutschend hinter das Sofa im Buckingham-Palast. Denn Karl ist niemand anders als Charles, Prinz von Wales, und Camilla seine Jugendfreundin, die mit dem Brigadier Andrew Parker-Bowles verheiratet ist. Die angebliche royale Ehekrise sorgt seit Monaten für ungeahnte Auflagensteigerungen. Und der „Versöhnungstrip“ der Wales' nach Korea ist souverän als Propagandaübung entlarvt.

Indizien gibt es zuhauf. Nachdem Charles sich ins Goldene Buch der Stadt Seoul eingetragen hatte, reichte er seinen ebenso goldenen Füller an seine Frau Diana weiter. Die wies das edle Schreibgerät nicht nur zurück und bediente sich eines ordinären Kugelschreibers, sondern trug sich mit doppelt so großer Schrift wie ihr Gatte ins Buch ein. Aber es kam noch schlimmer: Als sie am selben Nachmittag koreanische Krabben mit Hilfe von Stäbchen in sich hineinschob, beteuerte ihr Gastgeber, daß diese Speise dem Ehepaar Glück und Zufriedenheit bescheren werde. Diana ließ den Krabbencocktail unverzüglich fallen. Ihre Ausrede: Sie wolle sich den Appetit auf das Mittagessen nicht verderben. „Sie frißt doch sonst wie ein Sumo-Ringer und hätte leicht noch einen kleinen Koreaner vernaschen können, ohne sich den Appetit auf das Dum Sim zu ruinieren“, schloß die britische Presse die Beweisaufnahme. Danach schlich sich die Prinzessin aufs Klo und kotzte die beiden Krabben wieder aus. Ihr großohriger Gemahl lungerte noch ein oder zwei Minuten vor der Damentoilette herum, bevor er schließlich ins Auto stieg. Die von den eheglückstiftenden Krabben befreite Diana mußte die Beine in die Hand nehmen. Die Frage, ob die beiden auf ihrer Reise in einem Doppelbett geschlafen haben, konnte nicht schlüssig beantwortet werden. Ein Informant der taz will die gefütterten Hausschuhe von Camilla Parker-Bowles vor der königlichen Suite gesehen haben.

Die KoreanerInnen sind nicht nachtragend. Am letzten Tag des königlichen Besuchs schleppten sie die Krabbenkotzerin nebst Ehemann in den buddhistischen Tempel Pulguk-Sa aus dem 6. Jahrhundert. Dort tischten sie vier Priester auf, die gestenreich für ein bißchen Sonne im tristen Alltag des tristen Ehepaars aus dem tristen England beteten. Offenbar hatte man den Satelliten gerade auf RTL geschaltet. Jedenfalls fing es umgehend an, in Strömen zu gießen.