: „In jeder rechtsstaatlichen Weise bekämpfen“
■ Interview mit dem Brandenburger Innenminister Alwin Ziel (SPD)
taz: Herr Ziel, Sie haben in den letzten Wochen und Monaten wiederholt gefordert, rechtsextremistische Parteien und Gruppierungen zu verbieten. An welche Gruppierungen denken Sie dabei?
Ziel: Bei uns in Brandenburg geht es um die Parteien „Deutsche Alternative“ (DA) und „Nationalistische Front“ (NF). Wir haben Erkenntnisse, daß beide Parteien Zeitschriften mit rassistischen und ausländerfeindlichen Inhalten herausgeben. Das ist einer der Aufhänger, ein Verbot zu fordern. Ein anderer ist, daß wir bei Ausschreitungen Rechtsradikale beobachtet haben, die dem Umfeld von DA und NF zuzurechnen sind.
Wie viele Mitglieder haben DA und NF?
Beide Parteien haben jeweils über 100 Anhänger alleine in Brandenburg. Dazu kommt ein Umfeld von Kandidaten und Sympathisanten, das rund fünfmal so groß ist.
Beobachten Sie auch eine zunehmende Organisierung der rechten Szene?
Das kann man so ohne weiteres nicht sagen. Fest steht aber, daß die rechtsextremistische Szene auf sich aufmerksam macht durch Veranstaltungen und Publikationen. Dies ist durchdacht und langfristig geplant, deswegen darf man sie auch in Brandenburg nicht unterschätzen. Darüber hinaus ist etwa die DA auch in Sachsen und in anderen Bundesländern organisiert. Da geht es grenzübergreifend zu.
Ein Parteienverbot kann nur das Bundesverfassungsgericht aussprechen. Für andere Gruppierungen ist das Bundesinnenministerium zuständig. Haben Sie ihre Verbotsvorhaben auf den zuständigen Rechtsweg gebracht?
Ich habe auf der Innenministerkonferenz am 9. Oktober angekündigt, einen Antrag auf ein Verbot dieser Parteien zu stellen. Der Antrag konnte bei der Innenministerkonferenz leider nicht behandelt werden. Ich habe nun die nächste Gelegenheit, die Innenministerkonferenz am 19. und 20. November, wahrgenommen und das Thema Verbotserwägung auf die Tagesordnung setzen lassen. Dafür müssen wir dann auch eine Menge an Beweismaterial beibringen. Weil ein Verbot nur über das Bundesverfassungsgericht zu erreichen ist, brauchen wir Beweismaterial auch aus den anderen Bundesländern. Wir in Brandenburg können allerdings einen guten Teil dazu beitragen. Meine Aufforderung wird sein, daß alle Innenminister und auch der Bundesinnenminister daran arbeiten, diese Beweise zusammenzutragen. Das wird zwar nicht von heute auf morgen möglich sein. Ich halte es aber für wichtig, im Fall begründeter Verdachtsmomente für ein verfassungswidriges Vorgehen der beiden Parteien mit aller Kraft zu versuchen, ein Verbot durchzusetzen.
In welchem Zeitraum könnte ein Vebotsverfahren zum Abschluß kommen?
Das kann ich nicht sagen. Das wäre reine Spekulation.
Viele Kritiker einer Verbotsstrategie wenden ein, daß durch diesen formalen Akt die Gruppen und ihre Zusammenhänge lediglich zersplittert werden. Anschließend müsse gefürchtet werden, daß diese dann konspirativ weiteragieren.
Zunächst muß gelten: Wenn es verfassungswidrige Parteien oder Organisationen gibt, dann können wir sie nicht einfach weitermachen lassen, nur weil wir meinen, sie könnten anschließend doch wieder in anderer Formierung auftauchen. Wir müssen sie in jeder uns zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Weise bekämpfen. Man kann nicht einen rechtswidrigen Zustand belassen und dann glauben, das Übel wäre nicht ganz so schlimm.
Mit Verboten alleine wird man dem Rechtsextremismus allerdings nicht beikommen können.
Das ist richtig. Es ist natürlich kein Allheilmittel zu sagen: Verbieten!, und damit ist die Sache erledigt. Wir müssen eine ganze Menge mehr tun.
In Brandenburg haben wir beispielsweise eine interministerielle Kommission eingerichtet, die umfangreiche Materialien erarbeitet hat, um eine Aufklärungskampagne gegen Extremismus und Gewalt zu fahren. Die Federführung dafür liegt beim Bildungsministerium, beteiligt sind das Justiz-, das Kultus- und das Innenministerium. Wir sind jetzt soweit, daß wir Veranstaltungen in allen größeren Städten des Landes machen werden. Wir müssen die Köpfe erreichen – das steht an erster Stelle. Wir müssen auch nicht nur die jungen Menschen erreichen, die Asylbewerberheime und Ausländer angreifen, oft sind es auch die Elternhäuser, die wir mit ansprechen müssen.
Rechnen Sie für die kommende Innenministerkonferenz mit einer ungeteilten Zustimmung für ihre Verbotsanträge?
Ich hoffe, daß sich das jeder gut überlegt. Ich gehe davon aus, daß es einen deutlichen Verdacht für eine Verfassungswidrigkeit gibt. Dem muß nachgegangen werden. Wenn wir in Brandenburg, einem jungen Bundesland, schon in der Lage sind, gerichtsfestes Beweismaterial beizubringen, dann müßten die alten Bundesländer noch besser dazu in der Lage sein. Interview: Wolfgang Gast
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