Honecker und Co: Kurzer Prozeß

■ Nach vierzig Minuten war alles vorbei/ Stoph kam gar nicht erst/ Jetzt soll seine Verhandlungsfähigkeit geprüft werden

Berlin (taz) – Drei Jahre nach seinem Sturz vom Gipfel der Macht steht Erich Honecker unter der Anklage des Totschlags vor Gericht. Das erste Mal in der deutschen Geschichte muß sich ein Staatsoberhaupt juristisch verantworten. Wilhelm II. flüchtete 1918 rechtzeitig ins holländische Exil, Adolf Hitler beging Selbstmord, bevor die Alliierten ihn vor das Nürnberger Tribunal stellen konnten.

Allen Erwartungen zum Trotz sah man Erich Honecker an seinem ersten Prozeßtag die tödliche Krankheit nicht an. Er wirkte entspannt, er legte seine Hand auf die Schulter des zweitmächtigsten Mannes der Ex-DDR, Erich Mielke, und grüßte den ehemaligen Verteidigungsminister Heinz Keßler per Handschlag. Auf den Zuruf aus dem Zuschauerraum: „Erich. Rot- Front!“ ballte er die rechte Faust, wie er es auch schon beim Auszug aus der chilenischen Botschaft in Moskau getan hatte.

Der erste Prozeßtag dauerte nur vierzig Minuten. Nachdem der frühere DDR-Ministerratsvorsitzende Willi Stoph wegen gesundheitlicher Probleme nicht zur Prozeßeröffnung erschienen war, gab das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt, Stophs Verhandlungsfähigkeit gerichtsärztlich zu überprüfen.

Nach Angaben seines Verteidigers hatte Stoph am Dienstag abend einen Herzanfall erlitten. Die Verteidigung legte zwei Atteste vor, nach denen er „auf absehbare Zeit nicht verhandlungsfähig“ ist. Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin die Unterbrechung, und Honecker-Anwalt Nicolas Becker forderte eine grundsätzliche Klärung, ob alle sechs Angeklagten zur Verhandlung anwesend sein müssen.

Überhaupt scheint es nicht ganz unwahrscheinlich, daß sich die Anklagebank im Laufe der Zeit mehr und mehr lichten wird. Bereits jetzt stellte Stefan König, der Anwalt von Erich Mielke (84), der sich bereits wegen eines Polizistenmordes im Jahre 1933 verteidigen muß, einen Antrag auf Abtrennung des Verfahrens. Der Prozeß gegen seinen Mandanten käme einer „bloßen Vorführung für die Presse gleich“.

Daß die brisanten Fragen, um die hier eigentlich gestritten werden soll, nicht einmal Erwähnung finden würden, ist indes nicht verwunderlich. Über Honeckers Schuld ging es, wenn überhaupt, nur vor dem Gerichtsgebäude. Eingefunden hatten sich ein Fluchtauto, ein Häuflein Trotzkisten und Vertreter des Honecker-Verteidigerkomitees. Das Auto war vor dem Portal des Gerichtes mit der Aufschrift plaziert worden: „Hallo Honni, kauf Dein Fluchtauto hier: 394 34 89, 2.750 DM mit Katalysator“.

Nach Einschätzung von Honecker-Anwalt Friedrich Wolff beginnt jetzt erst einmal „der Kampf der Formalitäten“. Tatsächlich steht vor allem ein Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden an. Die Honecker-Anwälte geben zwar die exakte Begründung noch nicht preis, daß es dabei aber auch um die zynische Aussage Bräutigams gehen wird, wonach das Verfahren Honeckers Gesundung diene, ist naheliegend. „Ich kenne bessere Krebstherapien als das Verfahren von Bräutigam“, kommentiert Anwalt Becker. ja