Strafe für "Silberlocke"

■ Ex-Santa Fu-Chef Sarodnick wegen Strafvereitelung im Amt verurteilt / Bei dem Prozeß ging es um juristische Spitzfindigkeiten

Wer in Santa Fu auf dem Chefsessel sitzt, muß alle Straftaten, die hinter Gittern begangen werden, sofort der Justizbehörde melden. Das ist der Tenor des Urteils, das gestern vom Amtsgericht gegen den ehemaligen Anstaltsleiter Wolfgang Sarodnick verkündet wurde. Der Psychologe wurde wegen Strafvereitelung im Amt zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt, weil er die Nachricht von mehreren Vergewaltigungen in Santa Fu unter den Tisch fallen ließ.

Im Prozeß war es um die juristische Spitzfindigkeit gegangen, ob Sarodnicks Mißachtung der Meldepflicht strafrechtlich relevant ist. Oberstaatsanwalt Martin Köhnke forderte am Ende für Sarodnick anderthalb Jahre Haft auf Bewährung.

Die Vorfälle, die den Mitarbeiter der Justizbehörde jetzt auf die Anklagebank brachten, liegen rund zehn Jahre zurück. Sarodnick hatte damals von sexuellen Übergriffen eines einsitzenden Straftäters auf weibliche Vollzugsbedienstete erfahren. Auf Wunsch der betroffenen Frauen erfuhr niemand in der Justizbehörde von den Vorfällen in der Anstalt. Es soll sich um zwei versuchte Vergewaltigungen und drei sexuelle Nötigungen gehandelt haben. Nach Auffassung des zornigen Richters Nils Graue soll Sarodnick jetzt dafür büßen, daß die Justiz damals nicht zuschlagen konnte und den Frauen peinliche Nachfragen erspart blieben.

Was der wegen eines Tötungsdelikts einsitzende Alfred Banz den Frauen angetan hatte, kam erst in der Amtszeit des nächsten Anstaltsleiters ans Tageslicht. Der ging schnurstracks zur Staatsanwaltschaft. Monate später entschied ein Amtsrichter, Sarodnick sei im strafrechtlichen Sinne nicht verpflichtet gewesen, die Taten anzuzeigen. Die Anklagevertreter legten dagegen Beschwerde ein.

Sarodnick (Spitzname „Häuptling Silberlocke“) war von 1981 bis 1989 ein bei den Gefangenen sehr beliebter Leiter der Fuhlsbüttler JVA und Verfechter des liberalen Strafvollzugs gewesen. Dann hatte er in die Jugendanstalt Vierlande gewechselt. Bei Bekanntwerden der gegen ihn erhobenen Vorwürfe wurde er von der Behörde zwangsversetzt.

In der Affäre Banz wurde Sarodnick seine vermeintliche Garantenstellung zum Verhängnis. Demnach sind Beamte wie etwa Polizisten im Gegensatz zum einfachen Bürger verpflichtet, Straftaten anzuzeigen. Der juristische Knoten, ob es sich bei einem Anstaltsleiter um einen Verfolgungsbeamten im engeren Sinne handelt, wird erst demnächst endgültig durchschlagen werden. Sarodnicks Verteidiger haben die nächste Instanz bereits im Blick. Denn eine rechtskräftige, einjährige Bewährungsstrafe würde für Sarodnick auch den Verlust seines Jobs bedeuten. lian