Das Geschenk bin ich

■ Bestürzende Neuigkeiten vom Schenkverhalten / Wie man Weihnachten mit leeren Händen gut dastehen kann

Wie sagte doch Benedetto Testarossa in seinem berühmten erotischen Gesellschaftsroman Julia? „Das größte Geschenk kann vom ärmsten Mädchen kommen — hat es doch sich selbst hinzuschenken.“ Ein Gedanke, bei dem wir verweilen sollten, besonders wenn wir uns vor Augen führen, daß in sechs Wochen Weihnachten ist.

Die Untersuchungsergebnisse führender Meinungsforschungsinstitute zum aktuellen Schenkverhalten in den alten Bundesländern irritieren, ja alarmieren: Hochglanz-Hightec: out. Digitale Fotoapparate: out. Eierbecher aus Titan: out. Einrad mit 35 Gängen: out. Haustiere: waren nie so out wie heute. Und das von Ökologen und Puristen vielbeklagte Primat der Verpackung, das die letzten

Laubsägearbeiten haben nach wie vor als out zu gelten

Jahre Furore machte und eine eigene Branche wachsen ließ? Der knisternde Traum aus PVC, Metallicbändern und künstlichem Schnee wird von 85% (Emnid) oder sogar 87% (Noelle-Neumann) der Befragten abgelehnt. Das Luxusgeschenk und auch sein schöner Schein haben ausgedient. In Zeiten, da sich fast 90% der Bevölkerung zur Depression bekennen, besinnt sich der Mensch — aber worauf?

Sowohl die Demoskopen als auch der schiere Augenschein bestätigen allerdings nicht den Verdacht, daß wir einer Renaissance der Hausmusik entgegengingen. Weder ein Blockflötenständchen wird zu Weihnachten gegeben, noch kommt die handgezogene Bienenwachskerze zurück. Und auch für Laubsägearbeiten gilt bis auf Widerruf: out. Ein einziges Marktsegment schreibt rosige Zahlen: braune und graue Pullover aus Echthaarwolle boomen. Die kollabierenden Verkaufspreise auf dem Computermarkt signalisieren indes eher etwas anderes: Man kauft sie wie Schnürsenkel, aber nicht zum Fest.

Was bleibt? Erinnern wir uns an Testarossa! Wagen wir Außergewöhnliches, das ökomäßig unbedenklich und nicht mal teuer, wenngleich brisant in der Folgeabschätzung sein kann - schenken wir uns selbst! Ganz. Komplett. Mit Haut und Haaren. Mit Herz und Leber. Mit Geist und Seele. Für eine Minute, eine Stunde, eine Woche. Je nach Verbindlichkeiten, je nach Vertrauen, je nach Zuneigung. Wickeln wir uns am Heiligabend in Packpapier, ein rotes Juteband drum, ein Zweiglein Tannengrün — und geben wie uns hin. Für Kinderdienste, Hausaufgabenhilfe, ein gemeinsames Wannenbad, einen endlos glühenden Kuß, eine gemeinsame Zukunft. Unser Geschenk, soviel ist gewiß, schlägt ein wie eine Bombe, man wird bis Ostern davon reden. Denn wir haben das Beste gegeben. Uns. Sprich: unsere Zeit. Bus