Sanssouci
: Vorschlag

■ Die Mitschuldigen von Goethe im bat-Studio-Theater

Beengter kann es nicht zugehen. Das kleine Holzpodest von Jens Betcke mit zwei Zimmerwänden rückt die Spielerschar unmittelbar vor die erste Zuschauerreihe und gibt ihnen Wirkung ohne Maske und aufwendige Kostüme (Kirsten Lehmbäcker). Die Bewegungen verkürzen sich, die Reibungen zwischen den Charakteren eskalieren zu Explosionen. Dennoch läuft das Spiel präzis wie eine Spieluhr ab (Regie: Jens Merle).

Die Wirtstochter Sophie (Ines Bartolomäus) ziert sich mit Hausfraulichkeit, aber die verführbare Frau bleibt sichtbar. Der edle Alcest sucht sie als seine frühere Geliebte auf. Sie hat einen Stromer und Dieb geheiratet. Sven-Erik Just treibt mit aufgeweichten und entgleisenden Gesten dessen Eifersucht zum Höhepunkt des Abends, rast über die Bühne, spurtet eine Leiter hinauf, rammt sich den Kopf am Deckenbalken. Alcest (Justus Carrière) hat da kaum Allzumenschliches zu zeigen. Beim Rendezvous allerdings fallen die Hosen und wickeln sich um seine Füße. Da strauchelt einer zwischen Ehre und Leidenschaft, Carrière läßt ihn so präzise mit den Sätzen fechten wie mit dem Degen. Immer steht er in der Welt wie vor dem Spiegel. Eine Tugend wider Willen, und die Kasse leer...

Opfer der Bühnenverkleinerung wurde der Wirtsvater (Lothar Förster), für den Goethe „in der Tiefe des Theaters“ Tisch, Lehnstuhl und Geschäftsbücher vorsah. Die entfallen, mit ihnen die Gott- und Hausvaterrolle. Er ist nur noch neugierig, lang, krumm, mit der Nase am Fenster, dem Ohr an der Tür, dem Fuß auf der Schwelle. Goethe fand sein Frühwerk als Commedia dell'arte gelungen, das damalige deutsche Theater hatte es verschmäht. Die Einfachheit der Spiellösungen, die am bat gefunden wurden, explizieren es mit Laune. Berthold Rünger

Heute im bat-Studio-theater, 20 Uhr, Belforter Straße 15