Nachschlag

■ Das Ensemble Modern im Kammermusiksaal der Philharmonie

Das Ensemble Modern widmet seine Programme sonst der neuen und neusten Musik. Im Gedenken an den 9.November hat dieses Kammerorchester, das beste seiner Art in Deutschland, eine Ausnahme gemacht. Unter dem Komponisten Friedrich Cerha hat es am Donnerstag Kompositionen von Max Reger, Arnold Schönberg, Erich Itor Kahn und Stefan Wolpe, gespielt — das Konzert stand im Zeichen der Vertreibung durch die Nazis, deren Opfer ja auch Arnold Schönberg war.

Überraschend, daß Max Regers „Romantische Suite nach Eichendorff“ (op.125) in diesen Kontext paßt: 1920 hatte der Geiger Rudolf Kolisch für ein Konzert in Schönbergs „Verein für Musikalische Privataufführungen“ in Wien eine Kammerorchesterfassung des Stückes arrangiert. Die Reduzierung auf nur wenige, solistisch eingesetzte Instrumente bewirkt eine ganz eigenartige Mischung aus der intimen, ausgedünnten Sphäre von Kammermusik und dem ursprünglich großräumigen Orchesterklang. Besonders deutlich ist dies im „Scherzo“, einem Walzer, der beständig zwischen der Stimmung eines Wiener Caféhauses und der eines rauschenden Balles schwankt.

Im krassen Gegensatz dazu folgte das „Piece for Trumpet and Seven Instruments“ von Stefan Wolpe aus dem Jahre 1970/71. Es ist streng und schlicht struktuiert. Nur einige wenige Phrasen werden wieder und wieder umspielt oder variiert. Kurze Abschnitte reihen sich dabei aneinander. Der Zusammenklang ist eckig und kantig, bricht in Dissonanzen auseinander, ohne jedoch den Zusammenhang des Stücks zu zerstören.

Mehr als ein halbes Jahrhundert Musikgeschichte waren aufgespannt. Die zweite Hälfte des Konzertes füllte diese Spanne aus. Wie Stefan Wolpe war auch Erich Itor Kahn während der Nazizeit in die USA emigriert. Dort entstand 1946 seine Komposition „Actus Tragicus“. Wie traumhafte Erinnerungen an längst Vergangenes leuchten Tangoklänge auf, wehmütig verfremdet und verzerrt. Abrupte Schläge im Orchester und dumpfe, tiefe Pizzikati gemahnen an einen Totenmarsch. Daß die Stimmung dabei niemals ins oberflächlich Sentimentale umkippte, ist sicherlich der wachsamen Interpretation des Orchesters zuzuschreiben. Den Schlußpunkt setzte Schönbergs „Suite“ op.29. Sie war zwischen 1924 und 1926 entstanden, lange vor Schönbergs Emigration, aber in jenen Jahren, die Wolpe und Kahn in Deutschland erlebten und derer sie im Exil gedachten. In Schönbergs Suite zeigt sich eine paradoxe Verquickung von zwölftoniger Strenge auf der einen Seite und Witzigem auf der anderen. Deutlich machte das Ensemble Moderne vor allem die Gratwanderung zwischen Ernst und Parodie. In der „Gigue“ zuckten überzogene Taktakzente durch das Orchester, die den regelmäßigen Rhythmus des alten Tanzes bis ins Groteske steigerten. Susanne Elgeti