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Zum Fälschen gezwungen

■ Im KZ Sachsenhausen lief als „Geheime Reichssache“ die größte Geldfälscheraktion der Geschichte/ Der Häftling Adolf Burger stellt sein Buch vor

Im August 1944 wird der slowakisch-jüdische Auschwitz-Häftling Nummer 64 401 in die Schreibstube des Kommandanten bestellt. Aber statt Strafkommando, Transport oder Gaskammer erwartet ihn der Befehl, nach Berlin zu fahren. Zwei Jahre Auschwitz sind vorbei, zwei Jahre grausiger Arbeit im Kommando „Kanada“ direkt an der Rampe. Seine Frau wurde in der Gaskammer ermordet und er, die Nummer 64 401, wieder zu Adolf Burger, weil es das Reichssicherheitshauptamt so wollte. Denn Adolf Burger war Drucker, und ein hervorragender dazu.

Er wurde gebraucht, weil im Konzentrationslager Sachsenhausen seit Mitte 1942 die größte Geldfälscheraktion der Geschichte lief. Die „Geheime Reichssache“ war so geheim, daß nicht einmal der Lagerkommandant wußte, was in den beiden Blocks 18 und 19 geschah. Hier wurde unter dem Kommando des SS-Sturmbahnführers Bernhard Krüger Falschgeld im gewaltigen Ausmaß gedruckt. In erster Linie englische Pfundnoten, aber auch Briefmarken, Ausweise und amerikanische Dollars. Es war eine Arbeit, von der die Häftlinge wußten, daß sie nur mit dem Tod enden konnte. Kranke wurden gnadenlos erschossen, um im Delirium nicht reden zu können. Aber es war auch eine Arbeit, die das ganze handwerkliche Können der Häftlinge verlangte und mit Privilegien belohnt wurde.

Adolf Burger, Fälscher im Dienst der SS, hat diese Geschichte über vierzig Jahre lang recheriert, Dokumente gesammelt und einen autobiographisch gehaltenen Tatsachenbericht verfaßt. Die Edition Hentrich hat es unter dem Titel „Unternehmen Bernhard. Die Fälscherwerkstatt im KZ Sachsenhausen“ herausgegeben und gestern in der Druckerei vorgestellt. Zwischen den ratternden Rotationsmaschinen saß der Autor und erzählte. Von Auschwitz und Sachsenhausen; von der Produktion englischer Briefmarken, die durch subversive Botschaften das britisch-sowjetische Waffenbündnis zerrütten sollte; von der Verlagerung nach Mauthausen im Frühjahr 1945; vom Todeslager Ebenhausen, wo die SS die Falschgeldproduktion in unterirdischen Stollen fortsetzen wollte und von der allerletzten Aktion der Nazis: Nämlich das Geld in wasserdichte Kisten zu verpacken und in den Toplitzsee bei Bad Ischl zu versenken. Einen Teil der Schätze bargen 1959 „Stern“-Journalisten und 1963 die österreichische Regierung. Druckstöcke, Banknoten, Dokumente über Arbeit und Leiden der Häftlinge werden in Kürze in einer Ausstellung im Lagermuseum von Sachsenhausen zu sehen sein. Ursprünglich war geplant, die Ausstellung in der „Jüdischen Baracke“ zu zeigen, genau in der, die jetzt durch Feuer zerstört wurde.

Die Fälscherwerkstatt ist eine der makabersten Episoden des Nazi-Terrors. 142 hochqualifizierte jüdische Häftlinge fälschten Banknoten im Wert von über 10 Millionen englischen Pfund. SS-Leute schmuggelten die Noten ins Ausland, tauschten sie in echte Devisen, um dafür Rohstoffe für die Rüstungswirtschaft zu kaufen. Die Fälschungen waren so perfekt, daß die englische Regierung nach dem Krieg gezwungen wurde, sämtliche Pfundnoten vom Markt zu ziehen, weil 40 Prozent Falsifikate im Umlauf waren. Die schwierigste Arbeit sei gewesen, das richtige Papier zu finden. Monatelang habe es gedauert, bis es gelang, den unsichtbaren Code des Wasserzeichens mit den Nummern der Banknoten in Einklang zu bringen. König der Geldfälscher war der in den zwanziger und dreißiger Jahren international gesuchte Experte Salamon Smolianoff, ein russischer Emigrant mit europäischem Wohnsitz. Ihn hatten die Nazis 1936 in Berlin erwischt, als „unverbesserlichen Kriminellen“ ins Zuchthaus gesteckt und dann nach Sachsenhausen delegiert. „Er war ein sehr gutmütiger Mann“, erinnert sich Burger, aber eben ein Profi durch und durch.

Er habe seinen ganzen Berufsehrgeiz in diese Arbeit gelegt und später über der Frage gebrütet, wie die in den USA mit Lichtdruck fabrizierten Dollar auf Tiefdruckmaschinen produziert werden können. Das Rezept — eine Gelatineschicht auf den Druckstöcken — fand er heraus, allerdings für die Nazis zu spät.

Von den zum Fälschen gezwungenen Häftlingen erlebten 1945 fast alle die Befreiung. Adolf Burger ging wieder in seine Heimat, nach Prag, sortierte bei der tschechischen Staatsbank echtes Geld vom echt Falschen und blieb am Leben, „nur, um dieses Geheimnis endlich lüften zu können“. Anita Kugler

Adolf Burger, Unternehmen Bernhard, Edition Hentrich 1992, DM 24,80

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