: Sonne im Herzen, Sandstein vorm Bauch
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion belegte Hotelbetten in Dresden und nahm den Tourismus zwischen Ostsee und Lausitz unter die Lupe ■ Von Detlef Krell
Sie hatten einander viel zu erzählen nach langer Reise, die ParlamentarierInnen der CDU/CSU- Bundestagsfraktion. „Fast sieben Stunden bin ich gefahren“, stöhnte einer, „man kann bei diesen Staus gar nicht mehr richtig planen.“ Doch „Dresden ist wirklich eine schöne Stadt“. Und der Konferenzsaal im Kulturpalast, hübsch, „auch die Stühle sehen aus wie neu“. Ja, ja, der Osten. Sogar Kaffee kochen haben sie hier inzwischen gelernt. Aber die Preise! „250 Mark die Nacht“ hat der Globetrotter für sein Schließfach im Hotel Königstein bezahlt. Vier Nächte für einen Tausender, „dafür kann ich, wenn ich die Hände ausstrecke, beide Wände berühren. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt überhaupt nicht.“
Deutsche Tourismus-ExpertInnen waren auf die Reise gegangen. In der sächsischen Hauptstadt tauschten sie sich auf Einladung der UnionsparlamentarierInnen über den Tourismus zwischen Ostsee und Thüringer Wald aus. Ihre Bilanz geriet gut. Deutschland sei ein „attraktives Urlaubs- und Reiseland“, und dies, schwärmte Rolf Olderog, Vorsitzender der Fraktions-AG Fremdenverkehr, gelte „besonders für die neuen Bundesländer“. Mit „zufriedenstellend bis gut, zum Teil sogar recht gut“ benotete er die vergangene Saison. Die Reiselust der Ostdeutschen sei „nach wie vor ungebrochen“. 1991 sollen sie zu mehr als 11,7 Millionen Urlaubsreisen von mehr als vier Tagen aufgebrochen sein. Etwa jede siebente Reise führte nach Mecklenburg/Vorpommern, Sachsen oder Thüringen. Andererseits verfügen die neuen Bundesländer bisher nur über zehn Prozent der in Deutschland angebotenen Betten. Für „tüchtige Unternehmer“ eröffnen sich „an den richtigen Standorten weiterhin hervorragende Chancen“.
Tourismus sei „weltweit die Wachstumsbranche Nummer 1“. Grund genug eigentlich, über seine ökologischen Folgen nachzudenken und nicht noch die letzten naturnahen Landschaften mit Erlebnisparks „aufzuwerten“. Olderog behauptete zwar, „geradezu exzessiv“ einen „umweltverträglichen Tourismus“ zu vertreten, doch nur, um gleich zu begründen, warum er Großprojekte „nicht generell“ ablehne. Ohne eine „gewisse Intensität“ könne Tourismus nicht die „gewünschten Arbeitsplatzeffekte“ bringen. Ökologischer Tourismus, „gleichsam elitär nur für Naturfreunde, Wanderer und Freunde der Einsamkeit“, könne „nun einmal nicht die notwendigen wirtschaftlichen Impulse bringen“. Die Touri-Festungen sollen sich „der Landschaft anpassen“, dann könnten in der Nachbarschaft „große Naturräume völlig frei bleiben“.
Die Sächsische Schweiz wird auf diese Weise zu einem Fleckchen Nationalpark mit einem fetten Betongürtel mutieren. Touristen aus Berlin können dann nach dem Mittagessen sonnigen Herzens auf die A13 düsen, und zum Kaffee haben sie den Sandstein vorm Bauch. Nach der Eierschecke zum Golfplatz, rechtzeitig zum Erotikwunschfilm der Woche sind sie wieder zu Hause. Klaus Brähmig, Unions-Obmann im Fremdenverkehrsausschuß des Bundestages und Ex-Einwohner der Sächsischen Schweiz, gab diesem Weekend-Aufschwung noch einen Schuß Philosophie. Die Natur müsse „für den Menschen“ geschützt werden und nicht etwa „vor dem Menschen“. Für „übertriebene“ Umweltanforderungen sei kein Platz. Der „Umweltaspekt“, rechnete Wirtschafts- Staatssekretär Heinrich Kolb vor, sei „einer unter vielen. Aber ein bedeutender.“ Die Politik müsse dem Wachstum „günstige Rahmenbedingungen“ schaffen und werde „für Auswüchse“ verantwortlich gemacht. Hinterher, natürlich.
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