■ Der wirtschaftspolitische Handlungsspielraum schrumpft
: Schwere Bürde für Clinton

Den neokeynesianischen Wirtschaftsberatern Clintons ist es bislang weder gelungen, die verbliebenen stabilitätspolitischen Ängste zu zerstreuen, noch Klarheit über die Finanzierung der neuen Ausgabenpolitik zu schaffen. Hatte Clinton zunächst doch versprochen, sein Infrastrukturprogramm durch rigorose Kürzungen im Rüstungsetat auszugleichen, will er nun wieder, wie er es nennt, maximale Verteidigung zu minimalen Kosten schaffen. Amerika soll die stärkste Militärmacht der Welt bleiben – aber wie geht das, bitteschön, mit den versprochenen Sparmaßnahmen zusammen? Oder schlägt da doch wieder jene berühmte Tax-and-spend-Mentalität durch, für die die Demokraten seit Jahr und Tag berüchtigt sind? Nicht wenige Wirtschaftsexperten befürchten, daß Clintons Wirtschaftskurs über kurz oder lang zu einer weiteren Erhöhung des massiven Budgetdefizits führen wird. Auch die Ernennung des Harvard-Professors Robert Reich zum dominierenden Wirtschaftsberater paßt da so ganz ins Bild. Reich macht keinerlei Hehl daraus, daß er es durchaus für angebracht hält, von der Zukunft zu borgen, um in sie zu investieren. Das ist zwar im Kern nicht falsch, doch müßte inzwischen auch nach Washington durchgedrungen sein, daß sich derzeit solche Stimulationsprogramme nur Japan wirklich leisten kann – und das, weil Nippons Staatseinnahmen jahrelang über den Ausgaben rangierten.

Der US-amerikanischen Wirtschaftspolitik nach Clinton, eingeklemmt zwischen einem gigantischen Schuldengebirge von 4.000 Milliarden Dollar und dem tiefen Wunsch, nichts wirklich umkrempeln zu müssen, droht eine Zerreißprobe. Werden die ehrgeizigen Ausgabenpläne in die Tat umgesetzt, dürfte es zwar anfänglich zu höheren Wachstumsraten kommen, die jedoch mit steigender Inflation, einem größeren Handelsdefizit, höheren Zinsen und einem schwächeren Dollar erkauft werden. Auch mit der Loyalität der US-amerikanischen Wirtschaft kann es schnell vorbei sein, wenn höhere Steuern, verschärfte staatliche Reglementierungen und mehr Protektionismus im Außenhandel Einzug halten. Auf der anderen Seite hat Clinton mit dem Primat auf personellen Entscheidungen bereits signalisiert, daß die neue Administration nun nicht weiter durch programmatische Ankündigungen belastet werden soll. Doch stufenweise von den ehrgeizigen Plänen abzurücken, die Erwartungen nach und nach herunterzuschrauben oder gar wie bisher weiterzumachen, käme zweifelsohne einer frühen Kapitulation gleich. Schließlich, so hatte es der Wahlkämpfer Clinton verkündet, sollte ein Kurswechsel in Amerika vollzogen werden. Die Amerikaner haben die seit zwei Jahren andauernde Rezession diesmal nicht als zyklischen Abschwung, sondern als Symptom für den Niedergang des amerikanischen Traumes empfunden – eine schwere Bürde für den neuen Präsidenten. Erwin Single