: Kapital gegen Ausländerhaß
■ Hamburger Wirtschaft wird durch Ausländerfeindlichkeit gefährdet / Führungskräfte sorgen sich ums multikulturelle Image der Stadt
wird durch Ausländerfeindlichkeit gefährdet /
Führungskräfte sorgen sich ums multikulturelle Image der Stadt
„Ausländerfeindlichkeit ist wirtschaftsschädigend.“ Auf diese knappe Formel bringt Harald Röder, Chef des Wirtschafts-Braintrusts „Akademie der Volksfürsorge“, die aktuellen Sorgen vieler Hamburger Wirtschaftsbosse. Sorgen macht sich auch das „Forum Hamburger Führungskräfte“, ein Runder Tisch von Erneuerern aus dem Hamburger Unternehmerlager, der sich seit drei Jahren Gedanken über die Entwicklung der Region Hamburg macht. Gerät das Image Hamburgs als „weltoffene Stadt“ in Gefahr, so ist dies ein Anschlag auf eine der „zentralen Standortqualitäten“, meint das Forum.
Nach seiner Auffassung sind für die Prosperität Hamburgs heute in ganz entscheidendem Maße die sogenannten „weichen“ Standortfaktoren ausschlaggebend: Umweltqualität, Lebensqualität, Kultur und soziales Klima. Hamburgs Tradition als liberale, weltoffene, tolerante und integrationsfähige Stadt spielt da eine ganz wesentliche Rolle.
„Kein Wunder, daß in Wirtschaftskreisen zum Teil beißende Kritik am Anti-Asyl-Popuplismus der politischen Kaste, insbesondere auch der SPD, zu hören ist. Die nüchternen wirtschaftlichen, demographischen und gesellschaftlichen Fakten schlagen sich in den Einstellungen der Wirtschaft zur Einwanderungsfrage nieder. Für die Wirtschaft ist unbestritten:
Hamburg ist auf dem Weg in eine multikulturelle Zukunft. Einwanderung ist Realität - und das ist gut so. Damit wächst die Internationalität der Stadt, was ihre Qualität als Welthandelsmetropole stärkt. Einwanderung ist auch notwendig, um die Überalterung wenigstens zum Teil auszugleichen und den langfristigen Arbeitskräftemangel abzubremsen. Einwanderer selbst sind ein attraktives zusätzliches Marktpotential. Für den außenstehenden Beobachter war es faszinierend, mit welcher trockenen Selbstverständlichkeit Hamburgs Unternehmer dies am 24. September bei einem Workshop über Arbeitsmarktvisionen auf der Cap San Diego als Grundlage ihrer Unternehmenspolitik ansahen.
Bei näherem Hingucken bekommt dieses hehre Selbstbild von Weltoffenheit allerdings große Risse. Auch in Hamburger Unternehmen werden ausländische Arbeitskräfte „wie Deutsche behandelt“, von einer multikulturellen Unternehmensphilosphie ist wenig zu spüren. Dabei sind sich Personalplaner heute einig, daß die Entwicklung des „human capital“, der Mitarbeiter, die entscheidende Reserve der Unternehmen darstellt. Unbestritten ist auch, daß bloße Anpassung an deutsche Standards ausländische Arbeiter oft nicht richtig zur Entfaltung kommen läßt. Das Problem ist zwar erkannt - doch selbst die Weiterbildungseinrichtungen machen stur ihren solokulturellen Stiefel.
Die aufziehende Rezession tut ein übriges. Harald Röder: „Ausländerintergration wird heute zu-
1nehmend als Luxus gesehen. Zuerst gelte es, die akuten wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Diese Sichtweise ist gefährlich. Was wir heute nicht tun, werden wir später doppelt spüren.“ Fehlende Multikultur nach innen, aber durchaus Training fürs Exportgeschäft: Bei Top-Managern exportorientierter Hamburger Großfirmen sind der-
1zeit Schulungskurse in multikultureller Kommunikation absolut in - ein Service, den eine Hamburger Beratungsfirma seit kurzem in Kooperation mit einem holländischen Unternehmen anbietet. Wer in islamischen oder asiatischen Ländern Geschäfte machen will, muß eben ein Feeling für die fremden Codes mitbringen. Florian Marten
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