Senat balgt sich um Müllgewinne

■ Streit ums Geschäft mit dem Grünen Punkt / Umweltsenator Vahrenholt, Müllwerker und Gewerkschaft im Clinch mit dem Senatorentrio Voscherau, Zumkley, Curilla / Gemisch aus Griff in Bürgers Tasche und...

/ Umweltsenator Vahrenholt, Müllwerker und Gewerkschaft im Clinch mit dem Senatorentrio Voscherau, Zumkley, Curilla / Gemisch aus Griff in Bürgers Tasche und Billig-Lohn-Experiment

Stadtchef Henning Voscherau hat derzeit handfesten Krach mit seinem Umweltsenator. Während Voscherau seine beiden Minenhunde Peter Zumkley (Senator für den Verwaltungsdienst) und Wolfgang Curilla (Finanzen) senatsdrucksachenmäßig ins Rennen gegen den für Müll zuständigen Umweltsenator schickt, kann sich letzterer über unerwartete Schützenhilfe freuen: Die ÖTV und ihre Müllwerker stehen hinter Vahrenholt. Innerhalb der nächsten beiden Wochen soll es im Senat zur Entscheidungsschlacht zwischen Voscherau und dem müllmännergestützten Umweltsenator kommen.

Vordergründig geht es um eine scheinbar harmlose Frage, um die gesellschaftsrechtliche Zuordnung einer neuen Wert GmbH, mit der die Stadt ins Geschäft mit dem Grünen Punkt einsteigen will. Soll, wie Vahrenholt und die ÖTV es wollen, die Wert GmbH eine 100prozentige Tochter der Stadtreinigung werden, oder soll sie, nach Voscheraus Willen, als Tochtergesellschaft der ebenfalls städtischen Hamburgischen Gesellschaft für Beteiligungsverwaltung (HGV) unter HGV-Boß Günter Elste (im Nebenberuf SPD-Fraktionschef) firmieren?

Bei genauerer Betrachtung wächst sich die Frage der Firmenkonstruktion zu einem explosiven Gemisch aus Griff in des Bürgers Taschen, Billig-Lohn-Experiment und Strategie-Chaos in der Hamburger Müllpolitik aus. Der Reihe nach: Anlaß der Wert-GmbH-Gründung ist die durch Bundesumweltminister und Industrie erzwungene Einführung des sogenannten „Dualen Systems“: Verpackungen mit dem Grünen Punkt sollen ab nächstem Jahr flächendeckend, kostenlos und vom übrigen Hausmüll getrennt eingesammelt werden.

Kostenlos? Mit durchschnittlich zwei Pfennig pro Verpackung bezahlen die Verbraucher schon heute den Aufbau des Systems. Ein bombiges Geschäft: Satte 1000 Mark will die private Gesellschaft „Duales System Deutschland“ (DSD) pro Tonne an jene Unternehmen zahlen, die den Grüne- Punkt-Müll für die DSD einsammeln. Ein Markt, an dem auch die Stadtreinigung partizipieren möchte. Nicht nur der Gewinne wegen.

Vahrenholt und die ÖTV möchten die Einführung des Dualen Systems als Anlaß für eine zukunftsweisende Modernisierung der Stadtreinigung nutzen: Sie soll in eine Anstalt für öffentliches Recht umgewandelt und so endlich wirtschaftlich handlungsfähig werden. Mit der Tochter Wert GmbH soll sie Verluste im traditionellen Geschäft — die Müllmenge ohne Grünen Punkt sinkt schließlich — kompensieren und den Fuß in der Müllwirtschaft der Zukunft haben. Die beim Dualen System erzielbaren Gewinne sollen zur Lösung Hamburger Müllprobleme und zur Entlastung der Gebührenzahler genutzt werden.

Aber Voscherau und Co haben anderes im Sinn. Die Wert GmbH soll als HGV-Unternehmen ihre Gewinne ins abgrundtiefe Loch des Hamburger Haushalts stecken. Daß dann gleichzeitig die Gebühren der Stadtreinigung steigen müssen, der Verbraucher also doppelt zahlt (einmal für die Grüne-Punkt-Verpackung, dann für die Sammelverluste der Stadtreinigung), juckt den Finanzsenator nicht. Schließlich wittert Curilla die Chance, bei der Wert-GmbH Dumping-Löhne nach Art der Müllfirma Dörner zu zahlen. Dörner trat kürzlich aus dem Arbeitgeberverband aus, um ihre Mülltransporteure mit gerade noch rund 600 Mark pro Woche abspeisen zu können. „Marktfähige Löhne“ seien das, freut sich Zumkley. Kein Wunder, daß die ÖTV das Experiment dieser Billig-Löhne im Stadtstaat verhindern möchte. Bezirkschef Rolf Fritsch: „Wir werden diesen Versuch á la Lufthansa- Expreß stoppen.“

Auch Vahrenholt steht bei den Müllmännern im Wort. Auf deren Personalversammlung am Bullerdeich versprach er jüngst, „mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln“ für die ökologisch und gesellschaftspolitisch vernünftige Lösung im Senat zu kämpfen. Florian Marten