Battle Royal

■ Ölglänzende Riesen, Finster- und Lieblinge: Sonntags kämpfen die Catcher jeder gegen jeden

Jeden Abend beginnt das große Catchen in der Stadthalle mit demselben Ritual: der Gladiatorenmarsch erschallt, und in einer prächtigen Reihe ziehen die Kämpfer ein. Jeden Abend stellt der Sprecher am Ring, Peter William aus Berlin, die Männer in ihren Kampftrachten vor, und jeden Abend zeigt sich aufs Neue, wer von ihnen etwas gilt in der Publikumsgunst. „August Steiger“, der plattnasige Österreicher mit dem Trachtenhut: „Buhh!“ — „Rip Rogers“, der „Extravagante“ im Morgenrock aus den USA: „Bravo!“ — „Fit Finley“, bestgehaßter irischer Kämpfer: „Buhh, dreimal Buhh!“ — „Rambo“, der amtierende CWA-Schwergewichtsmeister: „Bravo, Bravo, Bravo“. Die ZuschauerInnen schreien sich in Stimmung.

Heute, wie jeden Sonntag 19.00 Uhr, ist das Catch-Spektakel noch spektakeliger: Es beginnt der „Battle Royal“, der erbitterte Kampf aller gegen alle. Zwanzig ölglänzende Riesen stehen im Ring. Ein einziger wird übrigbleiben und die Siegprämie von Tausend Mark einstreichen. Ausgeschieden ist, wer über das oberste Ringseil geschmissen wird, zu Füßen des Publikums...

Wie Raubtiere im Käfig umtanzen sich die Catcher, sie schubsen sich und würgen ein bißchen und dann, ein wütender Aufschrei: unversehends ist Plattnase Adolf Steiger aus dem Ring geflogen und Eddy Steinblock, der ungeliebte Lokalmatador, gleich hinterher. Der aalglatte Engländer Davis Taylor, mit seiner lächerlichen Bauchnabel-Turnhose wird regelwidrig durch die Seile geschubst, und Finsterling Brucer Mastino hüpft hinterher, um ihn draußen zu verprügeln. Die BremerInnen sind begeistert und werden es noch mehr, Finlay und Anabolikus Franz Schuhmann, die ebenfalls außerhalb des Ringes wild aufeinander einschlagen, verschreckte Ringsitz- InhaberInnen von ihren Plätzen vertreiben und der gewaltige Otto Wanz mit seiner ganzen Autorität schlichtend eingreifen muß.

Jetzt aber geht ein Protestgestöhn durch die Menge. Gegen seinen erbitterten, aber vergeblichen Widerstand wird „Heavy Metal Peterson“, wildmähniger Publikumsliebling, mit den vereinten Kräften von Larry Cameron und Wild Wallace über das oberste Ringseil gehebelt. Da nützt sein verzweifeltes Brüllen und Anklammern nichts, er muß fluchend zurück in die Kabine.

Und nachdem auch der drahtige Fit Finlay (Publikum: „Schmeißt doch endlich Finlay raus“) draußen ist und seine Niederlage mit bösartiger Publikumsbeschimpfung rächt, bleiben schließlich zwei zum Endkampf: der schwarze Riese Larry Cameron, USA und Anabolikus Franz Schuhmann, Österreich. Beide sind schweißgebadet, beide sind sichtlich erschöpft, beide mustern sich mit den feindlichsten Blicken und liefern dann noch einmal eine große Show, mit Beinklemme und Nackennerven-Drücken, mit Schulterwerfen und dem Kniesprung gegen die Kehle des Gegners. Doch dann, eins, zwei drei, fliegt Larry Cameron mit einem so grandiosen Salto-Überschlag über das Seil, daß es nur fair wäre, wenn er später die Hälfte der Prämie abbekäme und dann nächsten Sonntag — eine Hand wäscht die andere — der große Sieger wäre. Cornelia Kurth